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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Ottokar und Malwine zu informieren, hatte mit ihnen ein Glas getrunken. An jenem Tag hatte der Geistliche noch gehofft, Wolfhard von Trettin selbst unter die Erde bringen und dabei seiner Gemeinde ins Gewissen reden zu können, damit sie erkannten, wie es Sündern erging, die sich gegen Gottes und der Menschen Gesetze vergingen.
    Dieser Triumph blieb ihm jedoch versagt. Während Doktor Mütze und Fridolin als erste Trauergäste auf dem Friedhof erschienen, saß der Pastor mit Ottokar von Trettin am Tisch, in der Hand einen wärmenden Grog, und hörte dem Gutsherrn zu.
    »Anders hat der alte Bock es nicht verdient«, tönte Ottokar, ohne dass der Pastor ihn dafür zur Rede stellte. »Mein Onkel hat das Gut herunterkommen lassen und ihm dabei Unmengen an Geld entzogen. Aber ich werde mir jeden Taler zurückholen, dessen können Sie versichert sein, Pastor. Dann werde ich Ihrer BitteGehör schenken und den Dachstuhl des Kirchturms erneuern lassen.«
    »Das ist eine sehr edle Geste, Herr von Trettin«, rief der Geistliche freudig aus und stellte dann die Frage, die ihm auf der Seele brannte, seit er vom Tod des alten Gutsherrn erfahren hatte.
    »Was ist mit Wolfhard von Trettins Enkelin? Haben Sie sie auf das Gut geholt? Ich werde mich ihrer annehmen müssen, um ihre Seele von dem Irrglauben zu befreien, in den ihr Großvater sie in seinem Wahn getrieben hat.«
    »Mein Mann wollte das Mädchen erst holen, wenn der Alte unter der Erde liegt«, antwortete Malwine, die am Fenster stand und mit einem scharfen Jagdglas das Geschehen auf dem Friedhof beobachtete. Dieser lag unten im Dorf neben der Kirche, und mit bloßem Auge konnte man von dem erhöht liegenden Gutshaus dort nur käfergroße Gestalten sehen. Mit Hilfe des Feldstechers aber war es ihr möglich, die Personen zu erkennen, die dem alten Herrn das letzte Geleit gaben.
    Währenddessen drängte es Ottokar, sich für seine Haltung zu rechtfertigen. »Eigentlich wollte ich sofort zum Jagdhaus fahren, um mich um meine Nichte zu kümmern, aber als ich erfuhr, dass mein Onkel unserem ehrwürdigen Glauben entsagt hat und zum Papstknecht geworden ist, habe ich geschworen, die Schwelle dort erst dann zu überschreiten, wenn der Alte auf dem Gottesacker liegt. Sobald das geschehen ist, werde ich anspannen lassen.«
    Dabei verschwieg er, dass er das Jagdhaus auch deshalb gemieden hatte, um nicht für die Beisetzung seines Onkels aufkommen zu müssen. Er hasste den Alten, der sein Leben für sich gelebt und nicht daran gedacht hatte, seinen Besitz für den Nachfolger zu vermehren, und wollte daher keinen schimmeligen Groschen für ihn ausgeben müssen.
    »Kord und Miene sind auch auf dem Friedhof! Na, die können etwas erleben, sage ich euch«, rief Malwine empört aus.
    »Ich habe es beiden ausdrücklich verboten!« Der Pastor wollte um Gottes willen nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass die beiden alten Leute offen dem Willen des Gutsherrn und seiner geistigen Autorität zu trotzen wagten.
    »Fridolin und Doktor Mütze sind auch da«, fügte Malwine gehässig hinzu.
    »Der Kerl braucht nicht zu denken, dass er von mir auch nur einen einzigen Taler erhält! Damit prost, Herr Pastor!« Ottokar stieß mit dem Geistlichen an und spottete hinterher, dass die Genannten wohl als Einzige dem Sarg des Verstorbenen folgen würden.
    Da vernahm er die keifende Stimme seiner Frau. »Ich sehe den Fuhrunternehmer Wagner. Wie kann der Kerl es wagen, uns so zu provozieren? Diesem Mann überlässt du keine Fuhre mehr von unserem Gut!«
    »Wagner ist da, sagst du?«, wunderte Ottokar sich. Gleichzeitig fragte er sich, wie er Malwine begreiflich machen sollte, dass sie auf dieses Fuhrunternehmen angewiesen waren, um ihre Ernteüberschüsse an den Mann zu bringen. Wagner war von Heiligenbeil bis Zinten ohne Konkurrenz, und einen Fuhrunternehmer aus Braunsberg oder Königsberg zu holen war nicht nur eine unsichere Sache, sondern würde wegen der Mehrausgaben auch den eigenen Gewinn schmälern.
    »Das gibt es doch nicht!«, platzte Malwine heraus.
    Langsam ging ihr Getue Ottokar von Trettin auf die Nerven.
    »Was ist denn?«
    »Eben ist Graf Elchberg gekommen und auch einige andere Nachbarn. Es werden immer mehr! Was denken diese Leute sich eigentlich? Sie müssen doch wissen, dass sie uns vor den Kopf stoßen, wenn sie am Begräbnis dieses alten Schurken teilnehmen.« Malwine war außer sich vor Wut und wollte ihr Jagdglas wieder auf den Friedhof richten.
    Da trat ihr Mann an ihre

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