Dezembersturm
schneite bereits heftig, und der Gedanke, bei einem solchen Wetter unterwegs zu sein, war wahrlich wenig verlockend.
»Dann fahren wir eben morgen zum Jagdhaus«, brummte er und wollte sich abwenden.
Da reichte Malwine ihm das Fernglas.
»Sieh nur, Fridolin ist unter die Totengräber gegangen. Man muss sich direkt schämen, mit so jemandem verwandt zu sein!«
XIII.
Fridolin blieb in dieser Nacht bei Kord. Während draußen der Wind heulte und das Land im Schnee versank, saßen die beiden Männer neben dem Ofen, tranken Grog aus selbstgebranntem Wacholderschnaps und unterhielten sich über Wolfhard von Trettin. Kord wusste vieles über seinen einstigen Herrn zu berichten, und da Fridolin jahrelang in den Ferien auf das Gut Trettin geschickt worden war, um diese Wochen bei seinem Onkel zu verbringen, entspann sich ein angeregtes Gespräch.
»Wenigstens hat er jetzt seine Ruhe vor Herrn Ottokar. Bei Gott, was ist das nur für ein Mensch!«, seufzte Kord. »Er hat seinem Onkel nicht einmal einen Platz in der Gruft derer von Trettin gegönnt.«
»Ottokar gönnt einem anderen Menschen nicht das Schwarze unter dem Nagel«, antwortete Fridolin mit bitterem Spott. »Er konnte ja nicht einmal warten, bis der alte Herr starb, sondern musste ihm schon vorher das Gut abnehmen. So ein Schurkenstück hätte nicht einmal ich ihm zugetraut. Er hat wohl etliches an Verleumdungen von sich geben und viel Überredungskunst aufbringen müssen, um das Gericht auf seine Seite zu ziehen.«
Fridolin trank einen Schluck aus der dampfenden Tasse. »Dein Grog ist stark, Kord. Wenn ich mehr davon trinke, liege ich bald am Boden. Na ja, bildlich gesehen tue ich das ohnehin schon.«
»Sind Sie wieder einmal blank, Herr Fridolin?«
»Was heißt hier wieder einmal? Eigentlich bin ich immer blank. Dabei hält sich mein Lebensstil im Rahmen, denn für große Sprünge fehlt mir der schnöde Mammon, und an den ist schwer heranzukommen. Der Geldverleiher verlangt Sicherheiten, die ich nicht habe, bei den Banken lassen sich die Herren Direktoren verleugnen, wenn ich erscheine, und bei meinen Standesgenossen binich nicht zuletzt wegen Ottokars Diffamierungen so unten durch, dass ich nicht einmal ein Butterbrot von ihnen bekommen würde, geschweige denn einen Kredit.«
Da Fridolin seine Worte mit einem leisen Lachen begleitete, sagte Kord sich, dass der junge Freiherr seine Art zu leben nicht zu bedauern schien. »Schade, dass Sie nicht der Erbe sind. Sie hätten Ihrer Familie Ehre gemacht!«
»Das glaube ich weniger!« Fridolin dachte an die Berliner Bordellbesitzerin, mit der ihn eine durchaus angenehme Freundschaft verband, und an einige andere Bekannte, die ebenso wenig gesellschaftsfähig waren. Dann wischte er diesen Gedanken mit einer Handbewegung beiseite.
»Außerdem sollten wir uns nicht um mich Kopfzerbrechen machen, sondern um Lore. Wenn ich könnte, würde ich es ihr ersparen, unter Ottokars und Malwines Fuchtel zu geraten.«
»Wenn der alte Herr nur ein halbes Jahr länger gelebt hätte, hätte er versucht, Lore und Sie miteinander zu verheiraten, Herr Fridolin!« Kord war tiefer in die Überlegungen des alten Trettin eingeweiht als jeder andere und hätte diese Lösung Lores Flucht nach Amerika vorgezogen.
Fridolin lachte hell auf. »Bei Gott, das arme Mädchen kann froh sein, dass es dazu nicht gekommen ist. Sie ist so arm wie eine Kirchenmaus, und auch ich habe keinen einzigen Taler in der Tasche. Ich glaube nicht, dass Lore ein solches Leben zugesagt hätte.«
Kord nahm wahr, dass Fridolin nur von Lore und nicht von sich gesprochen hatte, und ihm fiel zum ersten Mal auf, dass der junge Mann trotz seiner nach außen leichtsinnig wirkenden Art recht zuverlässig zu sein schien. Kaum ein anderer hätte die beschwerliche Reise von Berlin hierher auf sich genommen, nur um an einer Beerdigung teilzunehmen. Daher bedauerte Kord umso mehr, dass aus den früheren Plänen seines Herrn nichts geworden war. In einigen Monaten wurde Lore sechzehn und damit heiratsmündig,und mit der Summe, die Wolfhard von Trettin seiner Enkelin mitgegeben hatte, wären die beiden gewiss in der Lage gewesen, ein neues Leben zu beginnen.
Doch im nächsten Moment erinnerte sich Kord daran, dass Ottokar auch dann nicht nachgegeben, sondern gewiss Lore verklagt hätte, um an das angeblich gestohlene Geld zu kommen. Dabei hatte der Mann mit Gut Trettin bereits mehr vom Schicksal erhalten, als er es sich in seiner Jugend hätte träumen lassen.
Da all
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