DGB 06 - Gefallene Engel
sobald das Imperium erst einmal seinen Willen
bekommen hatte und der Planet folgsam geworden war.
Ihr wurde bewusst, dass ihre
Gedanken recht merkwürdigen Pfaden folgten. Wie die Astartes war sie eine Dienerin
des Imperiums, und doch verspürte sie nahezu Zweifel an ihrer Mission. Diese
Leute schienen mit ihrem Leben restlos zufrieden zu sein. Woher nahm sich dann
das Imperium das Recht, irgendetwas daran ändern zu wollen?
Es musste an der Stadt selbst
liegen. Dieser Ort hatte etwas Verzauberndes an sich, und das lag nicht nur an den
schwebenden Lichtkugeln und der Architektur — es war die Stadt in ihrer
Gesamtheit.
Über die Wände zu beiden Seiten
des Balkons, auf dem sie standen, rankten sich Kletterpflanzen mit vollen,
grün-schwarzen Blättern und leuchtenden lilafarbenen Blüten, die ein intensives,
berauschendes Aroma verströmten. Es vermischte sich mit der Nachtluft und hatte
eine beruhigende Wirkung auf Rhianna, so dass es ihr leichtfiel, diese Welt als
Paradies zu betrachten.
»Sind Sie zufrieden?«, fragte
Dusan.
»Zufrieden?«
Er zeigte auf den Bildrecorder
in ihren Händen.
»Sie haben aufgehört, dieses
Gerät zu bedienen. Bedeutet das, dass Sie alles haben, was Sie benötigen?«
»Ja. Aber dieses Gerät kann
mehr als nur Bilder aufzeichnen. Es kann auch Musik aufnehmen. Ich hatte eigentlich
gehofft, etwas von Ihrer Musik aufzuzeichnen.«
»Von meiner Musik?«
Zwar konnte sie Dusans Gesicht
hinter der Maske nicht sehen, doch sein fragender Ton war ihr nicht entgangen.
»Meinen Sie das als Metapher?«,
fragte er. »Ich bin kein Musiker.«
»Ich meinte damit die Musik
Ihrer Kultur«, erklärte sie.
»Man hat mir gesagt, sie sei
ausgezeichnet, daher meine Hoffnung, sie zu hören zu bekommen.«
»Auf dem Fest heute Abend
werden Musiker anwesend sein«, erwiderte er.
»Um die Ankunft der Dark Angels
zu feiern, haben unsere Führer einen planetenweiten Feiertag ausgerufen. Ich
bin sicher, Sie werden dort Musik hören, die sich aufzunehmen lohnt. Erfreut
Sie diese Neuigkeit?«
»Ja, die erfreut mich«,
bestätigte sie.
Rhianna war aufgefallen, dass
die Saroshi manchmal zu einer gestelzten Redeweise neigten, solange sie mit den
Feinheiten der neu erlernten Sprache kämpften. Auf manchen Welten, die im
Rahmen des Kreuzzugs aufgesucht wurden, hatten einige Be-wohner ablehnend reagiert,
als man ihnen erklärte, das Imperium erwarte von ihnen, dass sie Gotisch
lernten, weil dies die neue Amtssprache sein würde.
Auf Sarosh dagegen war die
Einführung der imperialen Amtssprache gut aufgenommen worden, und Rhianna hatte
in Shaloul bereits verschiedentlich Straßenschilder in gotischer Schrift entdeckt.
Außerdem war ihr gesagt worden,
dass einige große Werke der Saroshi-Literatur derzeit ins Gotische übersetzt
würden.
Es war ein weiteres Zeichen für
den guten Willen der Bev-ölkerung gegenüber dem Imperium, und es erinnerte Rhianna
daran, wie albern die momentane Situation war.
Trotz der warmherzigen
Begrüßung des Imperiums auf dieser Welt hatten sich die Verantwortlichen
bislang einer Unter-zeichnung der Unterwerfung widersetzt.
Sie hatte auf den
Flottenschiffen viele missmutige Äußerungen über die Bürokratie von Sarosh zu
hören bekommen, doch für Rhianna schien es, als sei die imperiale Bürokratie
nicht viel besser.
Immer wieder hatten die Saroshi
unter Beweis gestellt, dass sie ein freundliches und friedliches Volk waren,
das seinen Platz in der weit verstreuten Bruderschaft der Menschheit verdient hatte.
Wie konnte irgendjemand auf den
Gedanken kommen, ihnen zu misstrauen?
Vertrauen Sie ihnen nicht , hatte Kurgis gesagt. Nach
nicht einmal einem Tag im Orbit um den Planeten Sarosh fand Zahariel, dass der
Astartes der White Scars ihm einen guten Rat gegeben hatte.
Einen Beweis, dass er mit
seiner Warnung richtig gelegen hatte, gab es nicht, es war mehr ein Gefühl.
Ein Vorbote seines erwachenden
psionischen Potenzials.
Hätte man Zahariel aufgefordert,
seine Meinung zu den Saroshi zu äußern, wäre es ihm unmöglich gewesen, einen
Grund für sein Misstrauen zu benennen. Normalerweise neigte er dazu, anderen zu
vertrauen. Er selbst war ein ehrbarer Mann, und eine seiner Schwächen war die,
dass er manchmal dem Irrglauben verfiel, jeder andere sei ebenso ehrbar wie er.
Nemiel war derjenige, der erst
einmal misstraute und ständig an den Motiven derjenigen zweifelte, die ihn umgaben.
Zahariel nahm jedes Individuum so, wie es sich ihm präsentierte. Ihn prägte
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