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DGB 06 - Gefallene Engel

DGB 06 - Gefallene Engel

Titel: DGB 06 - Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitchel Scanlon
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die
einem Soldaten eigene Abneigung gegenüber Heuchelei und Falschheit, und obwohl
es nichts gab, was seine Reaktion hätte stützen können, misstraute er den
Saroshi vom ersten Augenblick.
    Vielleicht hatte es etwas mit
den Masken zu tun.
    Es war kulturell an der
Tagesordnung, dass alle Erwachsenen und Kinder auf Sarosh immer Masken trugen.
Die einzigen Ausnahmen waren ihre intimsten und persönlichsten Momente,
ansonsten waren ihre Gesichter hinter Masken verborgen, und das nicht nur, wenn
sie in der Öffentlichkeit unterwegs waren, sondern auch in ihren eigenen vier
Wänden. Zahariel hatte schon von vielen kuriosen Bräuchen auf wiederentdeckten
Welten gehört, doch die Masken der Saroshi waren das Bemerkenswerteste, was ihm
bislang untergekommen war.
    Die Masken waren starr und aus
Gold, sie bedeckten das Gesicht ihres Trägers vollständig, nicht aber die Ohren
oder den restlichen Kopf. Jede Maske stellte das gleiche gut aussehende Gesicht
dar, das für Männer und Frauen identisch war. Sie erinnerten Zahariel an die
Totenmasken aus Keramik, die in manchen Kulturen nach dem Gesichtsabdruck eines
soeben Verstorbenen angefertigt wurden.
    Diese Totenmasken waren ihm
stets leer erschienen. Zwar bildeten sie genau das Gesicht der verstorbenen Person
ab, doch da sie erst nach dem Tod des Betreffenden entstanden, fehlte es ihnen
an der Essenz ihres Subjekts. Bei ihrem Anblick vermisste er, was das Gesicht zu
Lebzeiten ausgemacht hatte, so dass die Totenmaske fast wie eine Karikatur
wirkte.
    So war es auch bei den Masken
auf Sarosh. Zahariel war davon überzeugt, dass ein Dichter wohl irgendeine poetische
Metapher darin entdecken konnte, warum sich die Saroshi hinter einer Maske
verborgen dem Leben stellten. Er dagegen sah lediglich eine Kultur, die daran gewöhnt
war, Dinge vor anderen zu verstecken.
    Zahariel war kein Dichter,
trotzdem wusste er, dass das Gesicht ein wichtiges Kommunikationsmittel war, das
durch tausend winzige Zeichen Gedanken und Stimmungen vermittelte. Wenn man
sich mit den Saroshi unterhielt, blieben einem als Angehörigen des Imperiums
diese maßgeblichen Informationen verborgen, und man war gezwungen, in
nichtssagende, ewig lächelnde Gesichter zu blicken.
    Kein Wunder, dass es so
schwierig war, diese Welt zur Unterwerfung zu bringen.
    Ein anderes Problem war die
Strafverfolgung auf Sarosh, oder besser gesagt: das Fehlen einer solchen. Auch in
diesem Punkt war es Kurgis gewesen, der ihn darauf aufmerksam gemacht hatte.
    »Es gibt bei ihnen keine Gefängnisse«,
hatte der Astartes der White Scars ihm während ihrer Begegnung nach der
Übertragung des Kommandos berichtet. »Eine Vermesserin war darauf gestoßen, als
sie sich Luftaufnahmen von Shaloul ansah. Daraufhin nahm sie sich die Karten
aller übrigen Siedlungen auf Sarosh vor und stellte fest, dass es nirgendwo ein
Gefängnis gibt.«
    »Nicht jede Kultur bringt ihre
Kriminellen in einem Gefängnis unter«, sagte Zahariel.
    »Stimmt«, pflichtete Kurgis ihm
bei. »Auf Chogoris war das auch nicht der Fall. In der Zeit, bevor das Imperium
kam, herrschte bei uns das Gesetz der Ebene. Es war ein rauer Kodex, der zur
Landschaft passte. Wer ein Verbrechen beging, wurde entweder gesteinigt, oder aber
wir durchtrennten ihm die Sehnen und ließen ihn ohne Wasser und Waffen in der
Wildnis zurück. Ein Mörder konnte versklavt werden, um dann einige Jahre lang
der Familie des Mordopfers zu dienen, bis er seine Blutschuld abgeleistet
hatte. Aber die Saroshi betrachten sich als zivilisierte Kultur, und meine
Erfahrung sagt mir, dass zivilisierte Leute kein so simples Rechtssystem haben.
Sie neigen dazu, die Dinge kompliziert zu machen.«
    »Hat jemand die Saroshi um eine
Erklärung gebeten?«
    »Laut den Saroshi kommen
Verbrechen auf ihrer Welt nur selten vor. Wurde doch mal eine Straftat
begangen, dann wird der Täter bestraft, indem er mehr Stunden in ihrem
bürokratischen Dienst arbeiten muss.«
    »Sogar Mörder?«, wunderte sich
Zahariel.
    »Das klingt sehr
unwahrscheinlich.«
    »Da wäre noch etwas. Im Rahmen
der Vorbereitung der Unterwerfung bat der Calculus Logi darum, die Volkszählungen
der letzten zehn Jahre einzusehen. Ich habe keinen Bezug zu Zahlen, Bruder,
aber eine Sache ist mir im Gedächtnis geblieben, als ich mitbekam, wie der Logi
dem Strategium der Flotte Rückmeldung erstattete. Auf der Grundlage der
verzeichneten Geburten und Todesfälle schätzte er die Bevölkerungszahl deutlich
höher als die Summe, die die Saroshi uns gegeben

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