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DGB 06 - Gefallene Engel

DGB 06 - Gefallene Engel

Titel: DGB 06 - Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitchel Scanlon
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schaute.
    »Ich frage mich, was wir
inmitten den Sterne finden würden«, fuhr er schließlich fort. »In den alten
Geschichten heißt es, dass es Tausende, vielleicht sogar Millionen Welten genau
wie Caliban gibt. Es heißt, Terra sei eine dieser Welten. Ist es nicht
eigenartig, dass jedes auf Caliban geborene Kind den Namen Terra kennt? Wir betrachten
Terra als die Quelle und den Ursprung unserer Kultur, aber wenn die Geschichten
wahr sind, dann hatten wir vor Jahrtausenden zum letzten Mal Kontakt mit dieser
Quelle. Was aber, wenn diese Geschichten gar nicht stimmen? Wenn Terra nur ein
Mythos ist, eine Fabel, die von unseren Vorvätern erfunden wurde, um unseren
Platz im Kosmos zu rechtfertigen? Was, wenn alles nur eine Lüge ist?«
    »Das wäre schrecklich«, sagte
Zahariel. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, aber er redete sich ein, die kalte
Nachtluft sei der Grund dafür. »Die Menschen sehen die Existenz Terras als
selbstverständlich an. Würde sich das als ein Mythos entpuppen, dann könnten
wir anfangen, alles in Zweifel zu ziehen. Wir würden unseren Halt verlieren,
weil wir nicht mehr wüssten, was wir glauben sollten.«
    »Richtig, aber in manch anderer
Hinsicht würde es uns befreien. Wir müssten nicht länger der Vergangenheit
gegenüber verantwortlich sein. Die Gegenwart und die Zukunft wären unsere
einzigen Grenzen. Denk nur an den jüngsten Feldzug gegen die großen Bestien. Du
bist jung, Zahariel. Du weißt nichts von den erbitterten Diskussionen, den
Drohungen und den Anfeindungen, die ich über mich ergehen lassen musste, als
ich zum ersten Mal meinen Plan für diesen Feldzug vorstellte. Immer wieder
konnte ich feststellen, dass die Einwände in einer überholten Tradition oder
Denkweise verwurzelt waren, die sich längst überlebt hatten. Tradition ist eine
schöne Sache, aber nicht, wenn sie dazu dient, zukünftige Unternehmungen zu
unterbinden. Ohne Luther und seinen exzellenten Vortrag wäre mein Plan vermutlich
bis zum heutigen Tag nicht angenommen worden. Und das gilt auch für so viele
andere Dinge, denen wir uns heute stellen müssen. Die ewig Gestrigen und die
notorischen Neinsager legen uns einen Stein nach dem anderen in den Weg, ohne
sich auch nur damit auseinanderzusetzen, welchen Wert und Nutzen ein von mir
vorgelegter Plan hat. Sie verweisen stets auf die Vergangenheit, auf die
Tradition, als wäre das Gestern eine einzige glorreiche Zeit, die wir bis in
alle Ewigkeit beibehalten müssen. Aber mich interessiert die Vergangenheit
nicht, Zahariel. Ich denke stets nur an die Zukunft.«
    Wieder legte der Löwe eine
Pause ein, während sich Zahariel fragte, was wohl Lord Cypher von dieser Rede halten
würde, die sich so rundweg gegen Traditionen aussprach. War das eine weitere
Prüfung? Wollten sie feststellen, ob er einfach nur wortlos zuhören oder sich gegen
das aussprechen würde, was Lion El'Jonson zu sagen hatte?
    Als er dem Löwen ins Gesicht
sah, fiel ihm eine sonderbare Eindringlichkeit in dessen Blick auf.
    Es war, als würde er die Sterne
lieben und zugleich hassen.
    »Manchmal wünschte ich, ich
hätte die Macht, die Vergangenheit wegzuwischen«, sagte der Löwe nach einer
Weile. »Ich wünschte, es gäbe diesen Mythos Terra nicht. Ich wünschte, Caliban
hätte keine Vergangenheit. Sieh dir einen Mann ohne Vergangenheit an, und du siehst
einen freien Mann. Es ist immer einfacher, wenn man bei null anfangen kann.
Aber dann wieder schaue ich hinauf zu den Sternen und denke, dass ich zu
voreilig bin. Dann frage ich mich, was es dort alles geben mag. Wie viele
unentdeckte Welten? Wie viele neue Herausforderungen? Wie strahlend und
hoffnungsvoll wäre unsere Zukunft, wenn wir zu den Sternen reisen könnten?«
    »So etwas ist sehr
unwahrscheinlich«, hielt Zahariel dagegen.
    »Jedenfalls im Augenblick.«
    »Damit hast du Recht«, stimmte
der Löwe ihm zu.
    »Was ist allerdings, wenn die
Sterne zu uns kommen würden?«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Wirklich nicht? Nun, ich auch
nicht«, sagte der Löwe. »Aber in solchen Nächten, wenn die Sterne hell
strahlen, träume ich von einem goldenen Licht, und alle Sterne am Himmel kommen
nach Caliban und verändern unsere Welt für alle Zeit.«
    »Die Sterne kommen nach Caliban?«,
wiederholte Zahariel.
    »Glauben Sie, das hat etwas zu
bedeuten?«
    Der Löwe zuckte mit den
Schultern. »Wer weiß? Ich habe das Gefühl, ich sollte die Bedeutung eigentlich kennen,
aber sobald es mir vorkommt, als könnte ich eine Verbindung zu dem

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