DGB 09 - Mechanicum
einmal hörte sie nur noch das Gemurmel Hunderter
gedämpfter Unterhaltungen und das Scharren Tausender Füße.
»Rho-mu 31«, sagte sie und
versuchte krampfhaft, etwas Brauchbares von sich zu geben, scheiterte aber kläglich.
Plötzlich bemerkte sie, dass sie wie ein ungezogenes Kind auf ihre Füße
starrte.
Zouche eilte zu ihrer Rettung,
indem er sich vor sie stellte und den Kopf in den Nacken legte, um den
muskulösen, verbesserten Krieger des Mechanicums anzusehen.
»Rho-mu 31, richtig?«, sagte
er. »Freut mich, Sie zu sehen. Wir ... ähm ... wir sind auf dem Weg zu den
Hafenanlagen. Von den Schiffswerften des Jupiters kommen einige Vorräte, die
wir in Empfang nehmen wollen.«
»Die Hafenanlagen?«,
wiederholte Rho-mu 31.
»Ganz genau«, mischte sich
Caxton ein.
»Wir wollen uns davon
überzeugen, dass es auch die richtigen Teile sind, wissen Sie? Falls nämlich
nicht, können sich die Dockarbeiter die Mühe sparen, die Sachen zu uns zu bringen.
Ansonsten müssten sie alles wieder abholen, und das Spiel kostet uns dann
etliche Tage, die wir aber nicht haben.«
Dalia kniff die Augen zu, denn
sie konnte Rho-mu 31 nicht ansehen, während ihre Begleiter ihm diese
unglaublichen Lügen auftischten. Sie stellte sich vor, wie sich der Boden unter
ihr auftat und sie in das Magma stürzte — oder wie ein einfahrender Zug aus den
Schienen sprang und sie alle in den Tod riss. Alles war ihr lieber als diese
entsetzliche Verlegenheit.
Severine stellte sich zu den
beiden und trug ihren Teil dazu bei, das Lügengeflecht noch weiter zu spinnen. Es
wurde immer komplexer und umfasste immer mehr Namen und Gegenstände — von denen
viele sicher gar nicht existierten.
Dann war der Punkt gekommen, an
dem es Dalia nicht länger ertrug. »Das reicht jetzt!«, brüllte sie.
»Thron, ist euch eigentlich
nicht klar, wie albern sich das alles anhört?« Ein paar Umstehende drehten sich
zu ihr um, weil sie Thron als Fluch verwendet hatte, doch die meisten schauten
schnell wieder weg. Sie wollten nicht unnötig die Aufmerksamkeit eines
Protektors des Mechanicums auf sich lenken.
Ihre Freunde verstummten und
sahen betreten zu Boden, als sei dort die rettende Antwort zu finden. Dalia baute
sich zu voller Größe auf, was verglichen mit Rho-mu 31 nicht sehr beeindruckend
wirkte, und sah in die leuchtend grünen Augen hinter der Bronzemaske. »Wir fahren
nicht zum Hafen«, erklärte sie.
»Wir sind unterwegs zum Noctis
Labyrinthus.«
Sie hörte, wie die anderen
erschrocken nach Luft schnappten, doch sie wusste, sie konnte nichts anderes tun,
als Rho-mu 31 die Wahrheit zu sagen.
»Warum wollen Sie einen so
finsteren Ort aufsuchen?«, fragte er.
»Dabei kann nichts Gutes
herauskommen. Nur dem Kult des Drachen sagt man nach, dass er im Labyrinth der
Nacht lebt.«
»Dem Kult des Drachen?«, wiederholte
Dalia interessiert.
»Davon habe ich noch nie
gehört.«
»Davon wissen nur wenige«,
sagte Rho-mu 31.
»Das ist eine kaum bekannte
Sekte von Verrückten. Bedauer-licherweise nicht die Einzigen dieser Art auf dem
Mars.«
»Aber wer sind diese Leute?«
»Als die Adepten, die im Noctis
Labyrinthus Schmieden anzu-siedeln versucht hatten, ihre Bemühungen aufgaben
und zurück-kehrten, kamen nicht alle mit ihnen wieder heim. Ein paar verwirrte
Seelen blieben dort.«
Ein Luftzug ging durch die
Station, ein Zug näherte sich.
»Ich muss dorthin«, sagte
Dalia.
»Ich muss jetzt dorthin.«
»Warum?«
»Ganz genau weiß ich das selbst
nicht, aber dort befindet sich irgendetwas Wichtiges. Ich kann es spüren.«
»Dort gibt es nichts außer
Dunkelheit«, entgegnete Rho-mu 31 und legte eine Hand auf ihre Schulter. »Sind Sie
ganz sicher, dass dies der Weg ist, den Sie gehen wollen?«
Dalia schauderte, als er das
Wort Dunkelheit erwähnte, doch auf einmal wurde ihr bewusst, was seine Worte zu
bedeuten hatten.
»Augenblick mal ... Sie ... Sie
werden mich nicht aufhalten?«
»Das werde ich nicht«,
bestätigte er.
»Und wenn Sie darauf bestehen,
diese Reise zu unternehmen, dann bleibt mir keine andere Wahl, als Sie zu
begleiten.«
»Sie wollen uns begleiten?«,
warf Zouche ein.
»Warum denn das? Warum
schleifen Sie uns nicht zurück zu Adeptin Zeth? Ihnen ist doch klar, dass wir
ohne ihre Erlaubnis unterwegs sind!«
»Sei ruhig, Zouche«, zischte
Severine ihm zu.
Rho-mu 31 nickte. »Das ist mir
klar. Aber die Adeptin Zeth hat mir aufgetragen, für die Sicherheit von Dalia Cythera
zu sorgen. Sie hat nichts davon gesagt, dass sie
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