DGB 12 - Verlorene Söhne
Triumphmarsch, und ich war niemals
wieder so stolz wie an diesem Tag. Ich konnte es nicht fassen, dass ich,
Mahavastu Kallimakus, die Annalen von Magnus dem Roten schreiben sollte. Eine
größere Ehre konnte es gar nicht geben.«
»Ich wünschte, ich hätte das
mit ansehen können. Aber ich glaube, da war ich noch gar nicht geboren.«
»Sehr wahrscheinlich nicht«,
stimmte Mahavastu ihm zu, während ihm Tränen in die Augen stiegen. »Eine Legion
am Rand der Auslöschung, die mit ihrem verschollenen Primarchen wiedervereint
worden war. Er hatte sie vor dem Abgrund gerettet. Ich denke gern daran zurück,
aber die Zeit seitdem fühlt sich für mich so an, als würde ein anderer mein
Leben leben. Ich habe Bücher vollgeschrieben, die eine ganze Bibliothek füllen
könnten, aber es sind nicht meine Worte. Ich kann sie nicht mal lesen.«
»Deswegen bin ich hergekommen,
mein Freund. Es gibt da etwas, das ich dir sagen wollte«, sagte Lemuel. »Ich glaube,
ich kann dir dabei behilflich sein. Erinnerst du dich noch daran, wie ich davon
sprach, dass ich in meiner Bibliothek auf Terra ein teilweise erhaltenes
Exemplar des Liber Loagaeth habe? Und dass ich nie auf das Claves
Angelicae gestoßen bin, das Zwillingsbuch mit der Buchstabenliste?«
»Ja, ich erinnere mich.«
»Ich habe eine Ausgabe
gefunden.«
»Tatsächlich? Wo?«
»In der Bibliothek der
Corvidae«, antwortete Lemuel. »Seit unserer Rückkehr nach Prospero hat Ahriman
mein Training beschleunigt. Er hat mich zwischenzeitlich mehr oder weniger an
einen Schreibtisch gekettet, um von Ankhu Anen unterrichtet zu werden, der ein
Gelehrter ist, wie ich noch keinen anderen erlebt habe. Ich muss zugeben, am
Anfang war ich von ihm gar nicht angetan, aber er ist mir eine immense Hilfe
gewesen. Ich sprach ihn auf das Buch an, und er schickte einen
Bibliotheksservitor los, damit der das Exemplar holt, als wäre das alles völlig
selbst-verständlich.«
»Dann beabsichtigst du zu
übersetzen, was ich aufgeschrieben habe?«
»Prinzipiell ja«, ließ Lemuel
ihn wissen. »Allerdings ist diese Sprache selbst mit der Liste nur schwer zu
entschlüsseln. Es gibt ganze Wortgruppen, die überhaupt nicht nach einer
Sprache aussehen. Ich werde mit Camille reden, ob sie uns mit ihrer
Psychometrie aushelfen kann.« Mahavastu seufzte leise.
»Ich wünschte, du würdest das
nicht machen.«
Lemuel stutzte.
»Du willst nicht wissen, was du
da die ganze Zeit über schreibst?«
»Ich glaube, ich habe Angst
davor, es zu erfahren.«
»Angst wovor?«
»Ich bin ein Schreiber, Lemuel.
Ich bin ein außergewöhnlicher Schreiber, und ich mache keine Fehler. Gerade du
solltest das wissen. Warum macht man mich zum Schreiber, wenn man zugleich
verhindert, dass ich weiß, was ich schreibe? Ich glaube, die Worte, die ich zu
Papier bringe, sind nicht für die Augen von Sterblichen bestimmt.«
Lemuel atmete tief durch,
entsetzt von der Angst, die er aus der Stimme seines Freundes heraushören
konnte.
»Ich bin ein alter Mann,
Lemuel, und ich habe genug von dem Leben, das ich führe. Ich möchte den
Kreuzzug verlassen und in meine Heimat zurückkehren. Ich möchte noch einmal
Uttarpatha sehen, bevor ich sterbe.«
»Die Aufzeichnungen über den
Kreuzzug werden ohne dich ärmer sein, mein Freund.«
»Komm mit mir mit, Lemuel«,
drängte Mahavastu ihn plötzlich, während er mit leiser Stimme redete. »Auf
dieser Welt liegt ein Fluch, das muss dir bekannt sein.«
»Ein Fluch? Wovon redest du?«
»Diese Welt war schon einmal
durch die Arroganz ihrer Bewohner zerstört worden, und die gesamte Menschheits-geschichte
zeigt uns, dass die Leute nie aus ihren Fehlern lernen, nicht mal, wenn sie so
hoch entwickelt sind wie die Thousand Sons.«
»Die Leute damals wussten nicht
mit ihren Fähigkeiten umzugehen«, wandte Lemuel ein.
»Die Thousand Sons beherrschen
ihre Kräfte.«
»Sei dir da mal nicht so
sicher, Lemuel«, warnte Mahavastu ihn.
»Hätten sie ihre Kräfte zu
beherrschen gelernt, warum sollte der Imperator ihnen denn dann verbieten, eben
diese Kräfte zu nutzen? Warum sollte er sie dann nach Prospero zurückschicken,
wenn nicht aus dem Grund, ihre Librarius aufzulösen?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete
er. »Aber es muss ja auch wirklich mehr als ärgerlich sein, wenn einem gesagt wird,
dass alles, was man geleistet und an Wissen zusammengetragen hat, wertlos und
ab sofort verboten ist.«
»Genau davon rede ich ja. Es
ist ihnen untersagt worden, sich weiterhin mit der Esoterik zu
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