DGB 12 - Verlorene Söhne
zertreten.
»Hallo, meine Liebe«, erwiderte
er. »Du siehst gut aus.« Kallista versuchte zu lachen, zuckte aber vor
Schmerzen zusammen.
»Entschuldige«, murmelte er
hastig. »Ich sollte dich wohl besser nicht zum Lachen bringen. Deine Muskeln sind
das nicht gewöhnt.«
»Wo bin ich?«
»Im Neuro-Flügel der Pyramide
der Apothecarii«, antwortete Lemuel. »Nach dem, was dir zugestoßen ist,
erschien es uns allen die beste Lösung.«
»Was ist mir denn zugestoßen?
Hatte ich wieder einen Anfall?«
»Leider ja. Wir wollten dir das
Sakau geben, aber dafür war es schon zu spät.« Er beschloss, nicht zu erwähnen,
was sie in ihrem Delirium zu ihm gesagt hatte.
Kallista hob den Arm, um eine
Hand an ihre Stirn zu legen, dabei zog sie eine Fülle von Kabeln und Schläuchen
mit sich, die auf ihrem Handrücken unter die Haut führten. Ihre Finger
ertasteten die Stoppeln über ihrer Stirn und die Messingkabel, die auf ihrer
Kopfhaut befestigt waren.
»Ja, das mit deinen Haaren tut
mir leid«, sagte Lemuel.
»Sie mussten dir den Kopf
rasieren, um die Kontakte zu befestigen.«
»Warum? Wozu sind die gut?«
»Ankhu Anen hat die Geräte aus
dem Corvidae-Tempel hergebracht. Er war ziemlich wortkarg, als ich wissen wollte,
welchem Zweck sie dienen, aber inzwischen hat er mir gesagt, dass sie die
ätherischen Aktivitäten in deinem Gehirn messen und dafür sorgen, dass nichts
und niemand in deinen Kopf eindringt. Bislang scheint das zu funktionieren.«
Kallista nickte und sah sich
gründlicher um.
»Wie lange bin ich schon hier?«
Ehe er antwortete, rieb er über
die Stoppeln an seinem Kinn.
»Meinem Bart zufolge müssen es
drei Tage sein.«
Sie lächelte und setzte sich
auf. Als Lemuel ihr ein Glas Wasser hinhielt, nahm sie es dankbar an und trank
es in einem Zug leer.
»Danke, Lemuel. Du bist ein
guter Freund.«
»Ich gebe mir alle Mühe«,
entgegnete er. »Kannst du dich eigentlich an irgendetwas erinnern, das du
gesehen hast? Ich frage nur, weil Ankhu Anen zu glauben scheint, dass es
wichtig ist.«
Sie biss sich auf die
Unterlippe, und dabei bemerkte er ein Echo des ängstlichen Gesichtsausdrucks,
den sie schon im Voisanne's gezeigt hatte.
»Teilweise ja«, antwortete sie.
»Ich sah Tizca, aber nicht so, wie wir es kennen. Es gab keinen Sonnenschein,
und alles Licht kam nur von den Feuern.«
»Welche Feuer?«
»Die ganze Stadt stand in
Flammen«, sagte sie.
»Sie wurde zerstört.«
»Von wem?«
»Ich weiß nicht, aber ich sah
den Schatten einer Bestie in den Unwetterwolken, und aus weiter Ferne war Geheul
zu hören.«
Tränen stiegen ihr in die Augen
und liefen über ihre Wangen.
»Alles brannte, und es regnete
Glassplitter. Alle Scherben waren wie zerbrochene Spiegel, und in jeder von
ihnen starrte mir ein einzelnes Auge entgegen.«
»Das ist aber eine beachtliche
Vision«, sagte Lemuel, nahm ihre Hand und strich über ihren Oberarm.
»Es war entsetzlich, und es war
nicht das erste Mal, dass ich diese Bilder gesehen habe. Zuerst konnte ich sie nicht
zuordnen, aber seit wir hier sind, weiß ich, sie zeigen Tizca.« Plötzlich kam
ihr ein Gedanke: »Lemuel, habe ich diesmal wieder etwas geschrieben?«
Er nickte. »Ja, aber nichts
davon ergibt einen Sinn. Ankhu Anen versucht noch immer, es zu entziffern.«
Während er redete, machte sie
die Augen zu und wischte ihre Tränen weg. Sie tat einen bebenden Atemzug, dann lächelte
sie in Richtung der Tür, die sich hinter Lemuel befand und die soeben geöffnet
wurde.
Lemuel drehte sich um und
entdeckte einen großen, breitschultrigen Mann in der Uniform eines Hauptmanns der
Prospero Spireguard. Er sah über alle Maßen gut aus, seine Gesichtszüge und das
wie gemeißelt erscheinende Kinn ließen ihn wie einen Helden vom Kaliber eines
Hektor oder Akilles erscheinen.
Schon aus Prinzip war dieser
Mann Lemuel fast auf Anhieb unsympathisch.
Die karmesinrote Uniform war
tadellos gebügelt und außerdem mit Messingknöpfen, goldenen Schnüren und zahlreichen
glänzenden Medaillen geschmückt. In der Armbeuge trug er einen silbernen Helm.
Am Gürtel hing gleich neben der schimmernden Laserpistole ein langer Säbel.
»Sokhem«, begrüßte Kallista ihn
erfreut.
Der Soldat nickte Lemuel zu,
dann streckte er ihm die Hand entgegen. »Hauptmann Sokhem Vithara, mein Herr. 15.
Prosper-ische Sturminfanterie.«
Lemuel griff nach der Hand des
Mannes und zuckte zusammen, als der kraftvoll zudrückte.
»Lemuel Gaumon, Memorator, 28.
Expedition.«
»Ist mir ein
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