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DGB 12 - Verlorene Söhne

DGB 12 - Verlorene Söhne

Titel: DGB 12 - Verlorene Söhne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham McNeill
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und Fleisch zu sein, als wären da keine Knochen, die
dem Ganzen Halt geben konnten — es war, als würde sich an deren Stelle etwas
viel Dynamischeres und Vitaleres befinden.
    Der Anblick bereitete Lemuel
Übelkeit, dennoch konnte er seine Augen einfach nicht von dem riesigen Wesen
losreißen.
    Augenblick mal ... war es tatsächlich
so riesig?
    Von einer Sekunde zur nächsten
schien die Kreatur ihre Form zu verändern, ohne dass es ihm überhaupt bewusst
war. Obwohl das Ding einerseits immer gleich auszusehen schien, war es anderer-seits
mal ein Gigant, ein Mann, ein Gott oder ein Wesen aus strahlendem Licht und mit
einer Million Augen.
    »Was ist das?«, fragte Lemuel,
die Stimme kaum mehr als ein Flüstern. »Was haben sie angerichtet?«
    Er konnte den Blick einfach
nicht abwenden, so als wisse er auf irgendeine urtümliche Weise, dass das
Feuer, das im Herzen dieses Wesens brannte, gefährlich war — ja, vielleicht
sogar das gefährlichste Ding der Welt. Lemuel wollte es berühren, zugleich
wusste er aber auch, dass er zu Asche verbrennen würde, wenn er zu nahe
herankam.
    Plötzlich schrie Kallista auf,
und damit war der Bann gebrochen.
    Lemuel sank auf die Knie und
übergab sich, sein Mageninhalt verteilte sich auf der Felswand. Sein
angestrengter Atem stieg wie milchiger Rauch aus seinem Mund auf, und er
betrachtete erstaunt den Inhalt seines Magens, der als verspritzte schimmernde
Masse den Eindruck erweckte, sich danach zu sehnen, wieder die ursprüngliche Form
anzunehmen. Die Luft kochte vor Anstren-gung, als würde der pure Ehrgeiz einer
Macht seine Muskeln spielen lassen, die nicht einmal von den Totensteinen
gebändigt werden konnte.
    Dieser Moment verstrich, und
dann war Lemuels Erbrochenes nur wieder Erbrochenes. Sein Atem war formlos und
unsichtbar. Nach wie vor konnte er sich nicht von diesem unausgeformten Wesen
dort unten abwenden, während seine zuvor überwältigten Sinne nun wieder fest in
der Realität verankert waren. Tränen liefen ihm über die Wangen, er wischte das
Gesicht mit einem Ärmel ab.
    Kallista schluchzte hemmungslos
und zitterte, als hätte sie einen Krampfanfall erlitten. Die Finger versuchten sich
in den Unter-grund zu krallen und kratzten sich am Felsgestein blutig.
    »Es muss raus«, schluchzte sie.
»Es darf nicht drinnen bleiben. Das Feuer muss raus, sonst verbrennt es mich.«
    Sie sah zu Lemuel und flehte
ihn stumm um Hilfe an. Ehe er sich bewegen konnte, verdrehte sie die Augen, bis
nur noch das Weiße zu sehen war, dann kippte sie nach vorn. Lemuel wollte ihr
zu Hilfe kommen, doch seine Beine versagten ihm den Dienst. Camille hielt sich
weiter aufrecht, ihr Gesicht war unter der Bräune kreidebleich geworden, sie
zitterte am ganzen Leib, und ihr Mund stand vor Ehrfurcht weit offen.
    »Er ist wunderschön ... er ist
so wunderschön«, sagte sie, hob zögerlich ihre Kamera und machte mehrere
Aufnahmen von der abscheulichen Kreatur.
    Lemuel spie einen Mundvoll
bitterer Galle aus und schüttelte den Kopf.
    »Nein«, brachte er heraus. »Er
ist ein Monster.«
    Sie drehte sich zu ihm um, und
er erschrak beim Anblick ihrer zornigen Miene. »Wie kannst du so etwas nur sagen?
Sieh ihn dir doch an!«
    Er kniff die Augen fest zu,
dann schlug er sie vorsichtig auf, um noch einmal einen Blick auf diese
ungeheure Kreatur zu werfen.
    Nach wie vor sah er das Licht,
das in ihrem Herz leuchtete, doch was eben noch verführerisch gefährlich
erschienen war, wirkte jetzt beruhigend und hypnotisierend.
    Wie eine schlecht eingestellte
Kamera, die mit einem Mal ein Bild korrekt wiedergeben konnte, zeigte das Wesen
nun seine wahre Gestalt: ein breitschultriger Riese in einer prachtvollen
Rüstung aus Gold, Silber und Leder, der an der Seite ein Krummschwert mit einem
Heft aus Obsidian und einer goldenen Klinge und dazu eine schwere Pistole von
beängstigender Größe trug.
    Auch wenn sich der Krieger
Hunderte Meter unter ihm befand, konnte Lemuel ihn so klar und deutlich sehen wie
eine lebendige Erinnerung oder wie das strahlendste Bild, das seine Fantasie zu
erzeugen vermochte.
    Er musste lächeln, da er nun
auch die Schönheit erkennen konnte, die Camille gesehen hatte.
    »Du hast recht«, sagte er zu
ihr. »Ich weiß gar nicht, wieso ich das zuvor nicht schon sehen konnte.«
    Ein wallender Umhang aus
goldenen Federn lag um die Schultern des Wesens, an ihm hingen
Weihrauchbehälter und flatternde Pergamente, die mit Wachssiegeln festgehalten
wurden. Große schwarze Hörner traten aus dem

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