DGB 13 - Nemesis
etlichen Kilometern am ehesten einer Garnison gleich, und in dieser
frühen Phase war Kell noch nicht bereit, die Gruppe aus der relativen
Sicherheit der Ultio zu entlassen, um den langen Weg in die
kilometerweit in südlicher Richtung liegende Hauptstadt anzutreten. Die
Metropole selbst, die größte ihrer Art auf ganz Dagonet, war vor dem dunkler
werdenden Himmel deutlich zu sehen. Aus einigen der höheren Türme stieg noch
immer Rauch auf, andere waren eingestürzt und so ins Wanken geraten, dass sie
sich nun an ihre Nachbarn anlehnten.
Aber es zuckte keine
Leuchtspurmunition zum Himmel, und weder standen Rauchpilze über der Stadt noch
flogen Sturmschiffe über die Gruppe hinweg, um die Stadt anzugreifen.
Es schien Ruhe zu herrschen,
zumindest so viel Ruhe, wie in einer Stadt herrschen konnte, die gegen sich
selbst Krieg führte.
Als Koyne vom Vindicare wissen
wollte, was er auf seiner Erkundungsmission herausgefunden hatte, hatte der
Everson nur gegrinst, während der Scharfschütze knapp antwortete: »Es ist
kompliziert.« Daran zweifelte die Callidus nicht. Sie hatte durch Hunderte
Feldeinsätze — davon viele in aktiven Konfliktgebieten — gelernt, dass das, was
Generäle an ihren bequemen und geschützten Orten gern als »Bodenwahrheiten«
bezeichneten, oftmals alles waren, nur nicht wahr.
Für den Soldaten wie für den
Assassinen funktionierte als einzige Gleichung der Wahrheit nur der einfache
Vektor zwischen einer Waffe und einem Ziel. Aber nun waren sie hier, Koyne und
die Paria Iota, wobei die Null-Fähigkeit der Culexus dem Zweck diente, vor
jeglicher psionischen Entdeckung zu schützen.
»Tariel hat das richtig
eingeschätzt«, sagte Iota, während ein Rotorflugzeug über sie hinwegflog. »In
dem Gebäude dort befindet sich tatsächlich ein Astropath.«
»Weiß er, dass Sie hier sind?«
Sie schüttelte den Kopf, wodurch sich der Schädelhelm hin und her bewegte.
»Nein. Ich glaube, er steht unter dem Einfluss von chemischen Substanzen, um
seine Fähigkeiten zu unterdrücken.«
»Gut.« Koyne richtete sich auf.
»Wir wollen schließlich nicht, dass der Alarm ausgelöst wird, wenn wir hier
noch nicht fertig sind.«
Die Callidus konzentrierte sich
auf eine Gedankenform, um sie auf das Fleisch zu übertragen, gleichzeitig
veränderte sie die Länge ihrer Stimmbänder, um die Tonlage eines Offiziers zu
imitieren, den sie in einer der abgefangenen Kom-Übertragungen gehört hatte.
»Wir werden weitermachen.«
Die Gestaltwandlerin hielt
Wort.
Indem sie sich in den Schatten
der flachen Gebäude am Raumhafen hielt, folgte Iota der Callidus und sah mit
an, wie Koyne zum Simulakrum eines zum Kriegsmeister übergelaufenen
Kommandanten der planetaren Verteidigungsstreitmacht wurde, um einen Moment
später den vorgelagerten Wachposten des Kommunikationszentrums zu passieren,
ohne einen Anflug von Misstrauen zu erwecken. Zwischendurch verlor Iota sie aus
den Augen, und als sich wenig später ein Mann in den Farben Dagonets ihrem
Versteck näherte, griff sie nach dem Kombi-Nadler, den sie am Gelenk ihrer
mordenden Hand festgemacht hatte, und war bereit, dem Mann ein lautloses Ende
zu bereiten.
»Iota«, rief jemand mit einer
völlig anderen Stimme.
»Zeigen Sie sich.« Sie trat ins
Licht vor und meinte: »Mir gefallen Ihre Tricks.« Koyne lächelte mit dem
Gesicht eines anderen und öffnete eine Tür. »Hier entlang. Ich habe die Wachen
vor dem Aufzug abgelöst, darum bleibt uns nicht viel Zeit. Sie haben den
Astropathen auf einer der unteren Ebenen untergebracht.«
»Wieso haben Sie es noch mal
verändert?«, fragte Iota, während sie durch einen nur schwach beleuchteten
Korridor gingen.
»Ihr Gesicht, meine ich.«
»Ich langweile mich schnell.«
Vor einem Aufzug blieb Koyne stehen. »Da wären wir.« Als die Callidus nach dem
Schalter griff, ging die Kabinentür auf. Helles Licht flutete den Flur, und
zwei Soldaten im Lift sahen die dunkle Form der Culexus und griffen instinktiv
nach ihren Waffen.
Speer schluckte Hyssos' anderes,
unversehrtes Auge, ehe er den geöffneten Kopf des Toten zu den anderen
Überresten legte, nur um dann mit einer kraftvollen Körperdrehung diese Reste
in die Schlucht zu schleudern. Er sah zu, wie alles in die Tiefe stürzte und
aus seinem Blickfeld verschwand.
Dann kehrte er in das Weinlager
zurück und machte einen großen Bogen um die wunderschöne Blutkunst, die er aus
Erno Siggs Leichnam geschaffen hatte. Der arme Erno war ihm hilflos
ausgeliefert gewesen, er
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