DGB 13 - Nemesis
als er sich an der Haustür umdrehte, sah er auf halber Höhe Ivaks
Silhouette. »Vater?«
»Geh wieder ins Bett«, sagte er
zu dem Jungen.
»Ich bin gleich wieder da.«
Dann hängte er sich seinen
Ermächtigungsstab um und verließ das Haus.
Als er auf der Straße ankam,
hatten die anderen bereits begonnen, auf den in ihrer Mitte kauernden
Jugendlichen einzuschlagen. Er hörte Schmerzensschreie, und dann schlug ihm der
Name entgegen, der wie ein verdammender Fluch gerufen wurde: Horus.
Der fünfte Jugendliche blutete
und versuchte sich zu schützen, indem er die Arme um den Kopf gelegt hielt. Yosef
sah, wie von rechts ein besonders brutaler und schneller Schlag auf ihn zu
jagte, der ihn zu Boden schickte.
Der Vogt ließ den Schlagstock,
der sonst im Ärmel verborgen war, in seine Hand rutschen. Von einem leisen
Zischen begleitet, fuhr das Rohr aus Gedächtnismetall auf das Vierfache seiner
Länge aus. Wut flammte in Yosef auf, und als er bereits zu einem flachen Schlag
gegen die Knie des ihm nächsten Angreifers ausholte, brüllte er: »Sentine!« Der
Stab traf den Jungen, der wie vom Blitz getroffen umkippte. Die anderen
bemerkten, was geschehen war, und wichen ein paar Schritte zurück. Einer hielt
einen halben Ziegelstein in der Hand und machte den Eindruck, als überlegte er,
oh er ihn vielleicht werfen sollte. Yosef betrachtete die Gesichter.
Die Angreifer hatten sich
Schals vor Mund und Nase gebunden, doch er wusste genau, wann er Unruhestifter
vor sich hatte. Diese jungen Männer waren von den Verladeterminals, wo sie
tagsüber auf der Fracht-Einschienenbahn arbeiteten, die die Docks mit den
Weingütern verband. Abends begannen sie dann Ärger zu machen und ließen sich zu
kleineren Delikten hinreißen. Aber in diesem Viertel waren sie nicht zu Hause offenbar
waren sie ihrem Opfer gefolgt und hier gelandet.
»Fesseln Sie ihn!«, rief einer
der Jungs und zeigte auf den Verletzten. »Er ist ein Verräter! Ganz genau so
ist es! Der Hurensohn ist ein Verräter!«
»Nein«, brachte das Opfer
heraus. »Bin ich nicht ...«
»Sentine sind kein bisschen
besser!«, knurrte der mit dem halben Ziegelstein in der Hand. »Die stecken alle
unter einer Decke!«
Fauchend schleuderte er den
Stein, den Yosef zwar ablenken konnte, der aber dennoch über seine Schläfe
schrammte und ihn leicht aus dem Gleichgewicht brachte. Die Unruhestifter
werteten das als Signal und rannten davon, um sich an der nächsten Kurve
aufzuteilen und in verschiedene Richtungen zu verschwinden.
Für einen Sekundenbruchteil war
Yosef von so unbändiger Wut besessen, dass er nichts anderes wollte, als sich
mit den Jugendlichen ein Wettrennen zu liefern, um sie einzuholen und sie auf
dem Pflaster blutig zu prügeln. Aber dann verdrängte er diesen Wunsch und
bückte sich stattdessen, um dem verletzten jungen Mann aufzuhelfen. Dessen Hand
fühlte sich feucht an, da er sich an den Scherben geschnitten hatte. »Wie geht
es dir?«, fragte der Vogt.
Der Jugendliche machte benommen
einen Schritt von ihm fort.
»Nein ... tun Sie mir nicht
weh.«
»Das werde ich nicht«,
antwortete er. »Ich bin ein Gesetzeshüter.«
Yosefs Schädel dröhnte noch
immer von dem Beinahetreffer mit dem Ziegelstein. Aber in einem Augenblick
geistiger Klarheit bemerkte er, dass in der Jackentasche des Jungen mit roter
Schrift bedruckte, zusammengerollte Flugblätter hervorlugten. Er fasste den
Jungen am Handgelenk und zog eines der Blätter heraus, das sich als Pamphlet
der Theoge entpuppte. Das Blatt war eng beschrieben, der Text in einer blumigen
Sprache abgefasst, die von Begriffen wimmelte, mit denen er nichts anzufangen
wusste.
»Woher hast du das?«, fragte er
den Jungen.
Im grellen Licht der
Straßenlampen konnte Yosef sehen, wie sein Gegenüber kreidebleich wurde. Die
Angst, die dem Jungen ins Gesicht geschrieben stand, ließ deutlich erkennen,
dass es für ihn Schlimmeres geben musste als die Konfrontation mit den vier
Schlägern mit ihren Flaschen und Steinen. »Lassen Sie mich in Ruhe!«, brüllte
der Junge und stieß den Vogt mit beiden Händen weg.
Yosef verlor das Gleichgewicht,
was durch die pochenden Kopfschmerzen noch gefördert wurde, stolperte und fiel.
Er schüttelte die Schmerzen ab und sah noch, wie der Jugendliche davonrannte
und in der Dunkelheit verschwand.
Fluchend
versuchte er aufzustehen. Dabei berührten seine Finger etwas auf dem
Kopfsteinpflaster, etwas mit einer scharfen, runden Kante. Zuerst hielt er es
für eine der Scherben,
Weitere Kostenlose Bücher