DGB 14 - Ketzerfürst
wieder eine Diskussion der beiden
über den Zustand der menschlichen Psyche und über die Verderbtheit der Religion
anzuhören. »Bitte nicht jetzt.« Während sich Argel Tal in den letzten drei
Jahren allmählich an das Custodes-Kontingent gewöhnt hatte und sich oft mit
ihnen im Trainingskäfig im Schwertkampf maß, schien es Xaphen diebisches
Vergnügen zu bereiten, sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit
überspitzten Formulierungen in Diskussionen zu verwickeln. Philosophische
Debatten mit Vendatha oder Aquillon führten regelmäßig dazu, dass sie
aufgebracht den Raum verlassen mussten, wenn sie nicht Gefahr laufen wollten,
gegen den Ordenspriester handgreiflich zu werden. Im Gegenzug wertete Xaphen
jeden dieser Moment als einen großen persönlichen Sieg, der ihn köstlich
amüsierte.
»Wenn die Sterne für sie so
wichtig sind«, drang Vendathas Stimme knisternd aus den Helmlautsprecher,
»warum verstecken sie sich dann vor ihnen hier unter der Erde?«
»Warum fragen Sie sie heute
Abend nicht einfach danach?«, meinte Xaphen lächelnd.
Die drei gingen weiter, und
einige himmlische Augenblicke lang herrschte wieder Ruhe.
»Ich höre Gesänge«, seufzte der
Custodes plötzlich. »Beim Imperator, das ist Wahnsinn!« Auch Argel Tal hörte
die monotonen Gesänge. Die Ebenen unter ihnen reichten bis tief ins Innere des
Planeten hinab, doch das massive Felsgestein leitete Geräusche mit einer
trügerischen Leichtigkeit weiter. Wenn man in den Tempelhöhlen unterwegs war,
hörte man Gelächter, Schritte, Gebete und Wimmern, egal, zu welcher Tages- oder
Nachtzeit man unterwegs war.
Auf einer dieser unteren Ebenen
spielte sich soeben das Ritual ab.
»Ich beobachte Sie seit Wochen,
wie Sie sich an jedes Pergament klammern und mit den Cadianern in deren eigener
Sprache reden.«
»Ich unterhalte mich mit ihnen
auf Colchisianisch«, stellte Argel Tal klar, während er gedankenverloren mit den
Fingern über eine Kohlezeichnung strich, die wie eine Darstellung des
Primarchen aussah. Sie war recht grobschlächtig, aber sie zeigte eine Gestalt
in einem Gewand, gleich daneben eine zweite Gestalt in einer Rüstung aus
Kettengliedern, die ein weit aufgerissenes Auge aufwies. Sie standen auf einem
Turm, unter sich ein Feld voller dunkler Blumen.
Es war nicht das erste
derartige Bild, das Argel Tal zu sehen bekommen hatte, und doch weckte jedes
von ihnen sein Interesse.
Diener der Flotte waren in
großer Zahl auf den Planeten gekommen, die alle die Aufgabe hatten, die Höhlen
auf Cadia zu erkunden und von allen Funden Fotos zu machen.
»Ist das die Art, wie Ihre
Legion Wiedergutmachung dafür leistet, dass sie den Imperator enttäuscht hat?«,
fragte Vendatha. »Nach so vielen Unterwerfungen war ich gewillt gewesen, Ihre
Legion in einem anderen Licht zu sehen. Monarchia war eine Sünde der Vergangenheit.
Selbst Aquillon hat das geglaubt. Und nun kommen wir hierher, und Sie haben
nichts Besseres zu tun, als sich mit diesen Fremden in deren primitiver Sprache
zu unterhalten.«
»Es ist Colchisianisch«, sagte
Argel Tal, der entschlossen war, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.
»Ich vermag Ihre monotone
Sprache nicht fließend zu sprechen«, meinte Vendatha, »aber ich weiß genug. Was
diese Cadianer da reden, ist nicht Colchisianisch. Es erinnert an überhaupt
nichts. Die Wurzeln liegen nicht mal im Proto-Gotischen.«
»Es ist Colchisianisch«,
beharrte Argel Tal. »Es ist wohl eine archaische Form, aber es ist
Colchisianisch.« Vendatha ließ die zigmal geführte Diskussion auf sich beruhen.
Aquillon war längst unterrichtet worden und hatte der Planetenoberfläche einen
Besuch abgestattet, um alles mit eigenen Augen zu sehen. Der Custodes-Anführer
beherrschte Colchisianisch fließend, aber er hatte mit der Sprache dieser Welt
genauso zu kämpfen wie Vendatha. Die aus dem Orbit mitgebrachten kognitiven Servitoren
sahen sich mit den gleichen Schwierigkeiten konfrontiert — kein
Linguistikdecoder erkannte in der Runensprache einen Sinn.
»Vielleicht«, gab Xaphen zu
bedenken, »sind wir ja eine auserwählte Legion. Nur wer von Lorgars Blut ist,
kann diese heiligste aller Sprachen lesen und sprechen.«
»Das würde Ihnen wohl gefallen,
wenn das der Fall wäre, nicht wahr?«, gab Vendatha schnaubend zurück.
Xaphen reagierte mit einem
breiten Grinsen.
Die Laune des Custodes war auf
einem Tiefpunkt angelangt, nachdem er wieder einmal vergebens versucht hatte,
das Gekritzel an den Höhlenwänden zu
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