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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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allein sein, wenn . . .«
    Die krampfartigen Bewegungen in ihrem Gesicht ließen nach. »Oh, nein, ich möchte, daß jemand hier ist. Bitte, bleiben Sie. Mir zuliebe -« Sie begann, in ihrem Sessel umherzublicken. »Das wäre das Netteste, was Sie tun könnten.«
    »Gut.«
    Sie schien nicht zu finden, was sie suchte. »Ich möchte, daß jemand bei mir ist. Ich brauche jemanden.« Sie stand auf. »Hier bei mir.« Wieder ging sie im Zimmer umher. »Es ist so komisch. Ich habe nicht die geringste Idee, was ich sagen soll. Wenn ich doch nur telefonieren könnte, am Telefon geht so was leichter. Aber ich muß warten. Er wird zur Tür reinkommen. Und ich sage: Arthur, heute nachmittag hat June Bobby in den Fahrstuhlschacht gestoßen, und er ist die siebzehn Stock hinuntergefallen und ist tot . . .« Sie blickte in die Küche, ging quer durch den Raum und sah in den Flur.
    »Sind Sie sicher, daß es nicht besser wäre, wenn ich ginge?« Er wollte gehen, verstand nicht, warum sie ihn bat, zu bleiben, obwohl sie ihm mit einer Handbewegung bedeutete, obwohl sie sagte:
    »Bitte. Sie müssen bleiben.« »Ja, Ma'am. Ist gut.«
    Sie kam zu ihrem Sessel zurück. »Es ist, als wohnten wir nicht hier. Die Wände sind blau. Vorher waren sie grün. Aber unsere Möbel stehen alle an der richtigen Stelle.«
    »Die Teppiche liegen noch nicht«, versuchte er. Immerhin überbrückte er damit Schweigen.
    »Oh, nein. Ich glaube nicht, daß es die Teppiche sind. Es ist das Gefühl von Zuhause sein. Ein Heim für meinen Mann und meine -« Sie preßte die Lippen aufeinander und ließ den Kopf sinken.
    »Mrs. Richards, warum legen Sie sich nicht hin oder so bis Mr. Richards zurückkommt? Ich lege die Teppiche hin«, und dachte abrupt: Sie wollte, daß ich das sage, damit sie es ihm nicht zu erzählen braucht!
    Wer hat überhaupt diesen verdammten Kindern gesagt, daß sie die Teppiche nehmen sollen? Er konnte sich nicht erinnern, ob sie oder er es gewesen war.
    Aber sie schüttelte den Kopf. »Ich könnte jetzt nicht schlafen. Nein. Wenn Arthur zurückkommt . . . nein.« Das letzte kam ruhig heraus. Sie legte - stieß die Hände im Schoß zusammen. Bobbys Bücherstapel lag immer noch in der Ecke . . . Kidd wünschte sich, er hätte ihn weggetragen.
    Sie stand auf.
    Wieder ging sie im Zimmer auf und ab.
    Ihre Bewegungen begannen entschieden, verloren jedoch bei näherem Hinsehen an Zielstrebigkeit - erst aus der Balkontür, dann ins Eßzimmer, in den Flur.
    Hinter ihrem Stuhl blieb sie stehen.
    »Arthur«, sagte sie, wonach wohl eher ein Komma wie nach einer Anrede folgte als nach einer bloßen Nennung, »er ist draußen.«
    »Ma'am?«
    »Arthur ist draußen, da drin.« Sie setzte sich. »Er geht jeden Tag fort. Ich kann ihn sehen, wie er dort in die Vierundvierzigste
    abbiegt und verschwindet. Im Nebel. Wie heute.« Vor der Balkontür verschwammen die Gebäude. »Wir sind umgezogen.« Fünf Atemzüge lang beobachtete sie den Nebel. »Dieses Haus. Es ist wie ein Schachbrett. Jetzt wohnen wir in einem anderen Kästchen. Wir mußten umziehen. Wir mußten. Vorher war unsere Lage schrecklich.« Rauch zog vor dem Fenster vorbei, wich von neuem Rauch - »Aber ich habe nicht damit gerechnet, daß der Umzug so viel kostet« - und wieder anderem. »Darauf bin ich nicht vorbereitet. Wirklich nicht. Arthur geht jeden Tag nach draußen und arbeitet bei Maitland Engineering. Dann kommt er wieder nach Hause.« Sie beugte sich nach vorn. »Wissen Sie was? Ich glaube nicht, daß das da draußen alles real ist. Wenn er im Rauch verschwunden ist, geht er, glaube ich, nirgendwo hin. Es gibt auch keinen Ort mehr, zu dem er gehen könnte.« Sie lehnte sich zurück. »Ich glaube auch nicht, daß es je einen gegeben hat. Ich liebe diesen Mann. Und ich achte ihn sehr. Ich habe Angst, wie wenig ich ihn verstehe. Oft denke ich, daß er nicht glücklich ist, jeden Tag hinaus zu müssen in diese« - sie schüttelte leicht den Kopf -, »daß es für ihn nichts Reales bedeutet, nicht seinem Inneren entspricht, dem was er braucht. Was immer er da draußen auch macht, ich habe Angst davor. Ich stelle mir vor, wie er in ein großes, leeres Haus geht, voller Büros und Schreibtische und Arbeitsbänke und Technikerbüros und Zeichentische und Aktensäle - aber ohne Menschen. Er geht auf und ab und sieht in die offenen Bürotüren hinein. Ich glaube nicht, daß er die geschlossenen öffnet. Manchmal drückt er einen Stapel Papiere auf einem Schreibtisch gerade. Manchmal sieht er ein

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