Dhalgren
er, »hmm, ich dachte, ich bring das mal hoch, uh. Weil ich sowieso hochkam. Sie sagten, sie hätten sie gern beim . . .« ging an ihr vorbei und stellte sie neben die Balkontür.
»Ihre Kleider«, sagte sie. »Ich wollte Ihnen welche von meinem Sohn geben.«
»Oh, ich hab' schon diese hier.« Sie waren auch völlig schwarz.
Eine nach der anderen griffen ihre Hände an die Brust. Sie nickte.
»Ist mit June alles in Ordnung?« Sie nickte weiter.
»Ich dachte, ich hätte Sie unten gehört, aber als ich hereinkam, waren Sie schon nach oben gegangen.
Sie nickte weiter, wandte jedoch plötzlich das Gesicht ab.
»Ich bring' jetzt den Rest hoch, Ma'am.«
Er kam mit den Teppichen über den Schultern wieder und ließ sie auf den Boden fallen. Mrs. Richards war nicht mehr im Zimmer. Beim nächsten Gang (er dachte an Bobbys Spielsachen, fand es aber besser, sie unten zu lassen) ging sie an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen. Noch dreimal, und alles (auch Bobbys Spielzeug, das er sofort in dessen Zimmer verstaute) war oben.
Er setzte sich auf den Lehnstuhl und öffnete das Notizbuch. Seine abgenagten Nagelecken trugen immer noch Rotspuren. Er nahm den Stift (jetzt durch ein Knopfloch der Weste gesteckt) und blätterte die Seiten um. Er war überrascht, wie wenig leere es noch gab. Er kam bis zur letzten und merkte, daß Seiten herausgerissen waren. Papierreste fransten durch die Spirale. Der Umschlag war sehr locker. Ein Dutzend Löcher waren in der Pappe ausgerissen. Er blätterte bis zur ersten leeren Seite zurück und drückte die Mine heraus.
Dann verlor er sich langsam in Worten.
Beide Beine waren gebrochen. Der breiige Schädel und die geleeartige Hüfte . . .
Er hielt inne. Schrieb dann:
Beide Beine gebrochen, breiäugig, weichhüftig . . .
Doch irgendwie stieß seine Zunge dabei an eine nicht beabsichtigte Betonung. Er runzelte die Stirn und überlegte, wie er eine Silbe weglassen könnte, um der Zeile mehr Nachdruck zu verleihen. Er fand heraus, daß er die Adjektive fortlassen und drei Worte anders stellen mußte. Doch daraus wurde dann ein beschreibender Satz, der eine vollständig andere Aussage hatte. Ein Schauder fuhr unter der Lederweste über seinen Rücken, weil er merkte, daß es nun viel schrecklicher klang, als er es ausdrücken wollte. Der erste Satz war nur gerade an das erträgliche Maß herangestoßen. Er holte Atem, nahm eine Passage aus den ersten drei Zeilen heraus und stellte sie an den Schluß. Als er es schrieb, sah er, daß er nur ein einziges Wort benötigte, daher strich er die restlichen aus.
Mrs. Richards kam ins Zimmer, ging herum, suchte etwas und sah ihn. »Sie schreiben. Ich wollte Sie nicht beim . . . Schreiben stören.«
»Oh, nein.« Er schloß das Buch. »Ich bin fertig.« Er war müde. Aber er war fertig.
»Ich dachte, Sie schreiben vielleicht eine Art - Elegie. Für . . .« Und ließ den Kopf sinken.
»Oh, nein . . .« gab er zurück und fand, »Elegie« sei der richtige Titel. »Sie haben jetzt alles oben. Vielleicht sollte ich jetzt gehen.«
»Nein.« Mrs. Richards Hand fuhr aus ihrem Nacken, streckte sich ihm entgegen. »Oh, Sie dürfen nicht gehen. Sie haben doch auch noch nicht mit Arthur über das Geld geredet, oder?«
»Ja, okay.« Er lehnte sich zurück.
Mrs. Richards, erschöpft und nervös, setzte sich ihm gegenüber an den Kaffeetisch. Er fragte: »Wo ist June?«
»Sie ist in ihrem . . .« Sie endete mit einer vagen Geste. Sie sagte: »Es muß schrecklich für sie sein.«
»Für Sie ist es schlimmer.« Er dachte: Die Kleider von ihrem Sohn. Sie konnte doch nicht Bobby meinen. Wir hatten doch nicht annähernd die gleiche Größe. Edwards? »Mrs. Richards, ich kann Ihnen nicht sagen, wie leid es mir . . .«
Sie nickte wieder, fuhr mit dem Kinn über die Knöchel. »Oh, ja. Sie brauchen auch nicht. Ich verstehe schon. Sie sind hinuntergegangen und haben ihn geholt . . .« In der Pause dachte er, sie würde anfangen zu weinen. »Wie kann ich Ihnen dafür danken? Sie sind da runtergegangen. Ich habe gesehen, wie Sie ihn hochgebracht haben. Wie kann ich Ihnen -«
»Ist schon gut, Mrs. Richards. Wirklich -« Er wollte sie nach der Lichterscheinung im Fahrstuhl fragen, wußte aber nicht wie. Flüchtig fragte er sich, ob sie es vielleicht nicht gesehen hatte. Er bewegte die Zähne übereinander, um nicht an die Implikationen denken zu müssen. »Ich brauche nicht hier auf Mr. Richards zu warten. Ich kann ihn ein anderes Mal sprechen. Sie wollen bestimmt mit ihm
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