Dhalgren
Rückenlehne fest.
Denny stand zu Füßen des verwundeten Skorpions.
Eine Frau in grauem Hut flog neben Alptraum gegen das Fenster und sagte: »Ach, du meine Güte! Oh, er ist sehr verletzt -« legte dann beide Hände flach gegen die Scheibe und begann zu weinen. Dann hörte sie auf, wandte das Gesicht mit geschlossenen Augen wieder nach vorn.
Von einem der Rücksitze: »Sagt mal . . .«
Niemand tat es.
». . . was ist denn mit euch passiert?« Niemand antwortete.
Kid nahm seine Orchidee ab und schob eine Klinge herum für die Gürtelschlaufe, sah dann, daß sie abgerissen war (erinnerte sich daran!). Dann hing er sie an die Kette und kauerte sich hin.
»Ahnnnn ... Sie haben mich am Arm . . . Ich . . . Annnnn!«
Denny blickte auf. Seine intensiv blauen Augen waren mit roten Adern durchzogen.
»Annnn . . . Auuuu? . . . Oh, hey . . . Auuuuuuuu . . .!« Warmes Blut rann über Kids Zehen und breitete sich aus. »Soll man es nicht abbinden oder so?« schlug Denny vor. »Auuuuuu . . . Ahhhh . . .!«
»Hier.« Das farbige Mädchen auf dem Vordersitz beugte sich nach vorn und ließ das Halstuch fast fallen, als Kid danach griff. Der Skorpion keuchte wie eine Frau in Wehen, während Kid das zur Schlaufe gebundene Tuch um den Messergriff band, das ihm einer der anderen gegeben hatte. »Du mußt es alle fünf Minuten lockern«, sagte Spinne, der ihm half. »Sonst bekommt er Brand oder so.« Dann setzte er sich auf die Fersen und schwankte mit dem Bus. Der Fahrer blickte sich um und bog dann um eine Ecke.
Alptraum beobachtete sie interessiert mit über den Knien verschränkten Armen. »Du hast ja richtige Heldensachen drauf. Abbinden, huh? Ganz schön gut, huh? Yeah. Das gefällt mir.«
Kid erhob sich, wollte verärgert aussehen. Schmerz schoß ihm in die Schenkel von der minutenlangen gebückten Haltung her. Also sah er unbeteiligt aus, ging zu Dennys Bank und setzte sich.
Auf der anderen Seite des Ganges tat der alte Mann, der auch auf der Hinfahrt schon im Bus gewesen war, als ob er schliefe und verbarg den Kopf im Mantelkragen.
»Bist du okay?« fragte Denny. »Du siehst aus . . .«
Kid drehte sich zu dem Jungen um (zwei andere, ein Skorpion und ein Fahrgast wandten sich gerade ab): Denny rieb sich unter der Nase, zwinkerte blu
Der Gedanke an die scharlachroten Augen in der Eingangshalle von Emborikys ließ Kid den Mund aufsperren: Die Augen, die ihn jetzt eindringlich und mitleidig ansahen, wurden grauenvoll wie die wiederentdeckten Anzeichen dessen, was er vergessen hatte. Überraschung überlagerte eine andere Erinnerung - er fühlte, wie sie aus seinen Gedanken verschwanden, versuchte, sie zu behalten, es gelang nicht -, Erinnerung an etwas, was er in einem Spiegel gesehen hatte. Was hatte er dort gesehen? Sich selber? Nichts weiter? Ich bin wahnsinnig, dachte er: wie Echo. Das ist Wahnsinn, hatte er dort gesagt. Wenn man den Kontext außer acht ließ, was war denn in dem Warenhaus passiert? Er hatte vorher gezittert, was es wohl andeuten könnte. Warum habe ich gesagt: Das ist Wahnsinn? In ihm zitterte etwas. Sein Kopf schwankte.
»Kid . . .«und Kid war sich verzweifelt der Tatsache bewußt, daß dies nicht sein Name war.
Dennys Hand hatte auf seinem Arm gelegen. Er wußte es, weil er sie jetzt wegzog. Befreit versuchte er sich an die Berührung dort zu erinnern, angeregt durch die Wärme, die jetzt verschwand, weg war. Denny rieb sich wieder die Oberlippe.
Kid lehnte sich schwer atmend auf dem Sitz zurück.
Draußen glitten Kinoanzeigen mit rätselhaften Wortsäulen vorbei.
4
Zwischen hohen elektrischen Tönen brummten tiefe, liefen abwärts, stiegen hoch. Ein metallischer Akkord, noch ein metallischer Akkord. Dazwischen: Zischen eines Tonbands.
Kid räusperte sich. Daraus wurde ein Husten.
»Ja?« Reverend Taylor hielt den Bleistift an beiden Enden. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich habe Hunger«, sagte Kid. »Um . . .«Er zog die Hand von der Oberkante der Halbtür. »Jemand . . . man hat mir gesagt, daß es hier umsonst Abendessen gäbe.«
»Oh, das tun wir schon eine Zeitlang nicht mehr -« Hinter ihr drehten sich wie große Augen die Spulen.
Kid holte tief Luft. »Yeah. Ich weiß -«
»Sind Sie gefallen . . . oder verletzt?«
»Huh? Nein. Ich . . . nein.«
»Sie sind einfach hungrig?«
»Ja, Ma'am.«
»Also, wir unterhalten diesen Dienst nicht mehr. Es war viel zu . . .« Jetzt senkte sie die Augen, schnalzte mit der Zunge und überlegte. »Vielleicht einen Kaffee? Und .
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