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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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abfinden. Ich bin nicht so sicher, ob sie sehr geschmackvoll sind. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, daß Gedichte einer Illustrierung bedürfen. Aber er hat mich gebeten, sie Ihnen zu zeigen: Die Entscheidung liegt letztendlich bei Ihnen.«
    Er wollte gerade sagen: Sie sind ja alle schwarz, als er die Glanzstellen auf dem matten Papier entdeckte.
    »Sie sind in schwarzer Tinte auf schwarzem Papier«, erklärte Newboy. »Man kann sie nur sehen, wenn man sie ans Licht hält und sie von der Seite betrachtet. Dann bricht sich das Licht auf der Tinte. Roger meint, da die Gedichte so viele Bilder aus dieser Stadt aufzeigen, hat er die, wie er meint, eindrucksvollsten Photos aus seiner Zeitung ausgewählt und so gedruckt - Ich glaube nicht, daß man versucht hat, bestimmte Gedichte bestimmten Bildern zuzuordnen.«
    Kid nickte. »Das ist eine gute Idee.« Er hielt ein weiteres Blatt schräg und erblickte in den silbern schimmernden feinen Linien brennende Häuser, starrende Gesichter und ein Kind im Vordergrund, das in die Kamera schielte. »Oh, yeah.« Er lachte und sah sich die anderen an.
    »Haben Sie eine ungefähre Vorstellung, wann Sie die Fahnen durchgehen können? Die Times ist berüchtigt für ihre Druckfehler. Ihr Buch wurde auf der gleichen Maschine gesetzt.«
    »Ich könnte es gleich machen.« Kid legte die Bilder hin und nahm die Fahnen. »Wie viele Seiten waren es doch gleich?«
    »Sechsunddreißig. Ich bin es selbst schon zusammen mit dem Notizbuch durchgegangen - ein Typoskript wäre besser gewesen, und als Sie mir das an dem Abend in die Hand drückten, war ich ein bißchen besorgt. Aber ihre Schlußabschriften sind sehr sauber. Wissen Sie eigentlich, daß Sie vier völlig verschiedene Handschriften haben?«
    »Meine Schrift war nie gut.«
    »Aber Ihre Blockschrift ist sehr gut leserlich.« Newboy wühlte in der Tasche. »Hier . . .«, und gab Kid das Notizbuch.
    Es klappte unter Kids Händen auf:
    Lyrik, Prosa, Drama - ich interessiere mich nur für . . .
    Kid blätterte um bis zu der Seite mit seinem Gedicht (mittlere Version von Elegie) und nahm dann die Fahnen. Er zog Blatt für Blatt über den Schoß, sah - gedruckt - ELEGIE und hielt den Atem an. Die Buchstaben waren gedruckt so viel schärfer, ernster als Tinte auf Notizbuchpapier.
    Seine Augen wanderten irgendeine Zeile entlang. Die Worte ließen Erinnerungen explodieren, die so intensiv waren, daß sie die Tatsache verschwinden ließen, daß es nicht seine waren - oder zumindest dies war keins - oder . . . Hinter den Lippen öffnete er die Zähne. Jetzt zogen sich seine Lippen auseinander. Er holte geräuschlos Atem. Mein Gedicht, dachte er schrecklich aufgeregt, schrecklich glücklich.
    »Ich habe zufällig einige Ihrer Notizen gelesen. Ich fand es immer amüsant, wenn Dichter sich Seiten um Seiten ergießen über das, was sie nicht schreiben können. Ich habe das selbst oft getan.«
    »Huh?«
    »An vielen, vielen Stellen hat mich Ihre ästhetische Analyse auf viel schwierigere Dinge gestoßen, als Sie sie in Ihrer tatsächlichen Arbeit zu bewältigen versuchen.« Mr. Newboy nahm die Kaffeetasse hoch. »Sie haben einen phantastisch kritischen Kopf und eine Menge an Verständnis für die Probleme der Dichtkunst. Es hat mich Ihnen nähergebracht. Natürlich vertiefen sich die Gedichte selber angesichts Ihrer -«
    Kid schüttelte den Kopf. »Oh . . .« Er schloß den Mund wieder, öffnete ihn dann aus einem momentanen, leuchtenden, starken Impuls heraus, das Mißverständnis zur Täuschung werden zu lassen.
    Newboy hielt inne.
    Als er danach zwinkerte, deutete die Pause an, daß er bereits entdeckt war. (Er wühlte in seiner bruchstückhaften Erinnerung nach früheren Täuschungsversuchen, um sich darin zu unterstützen, was er enthüllen wollte) und sagte: »Das ganze andere Zeug - hey, das ist nicht von mir.«
    Newboys grauer Kopf ruckte ein bißchen zur Seite.
    »Ich habe das Notizbuch gefunden.« Die Verzweiflung der peinlichen Situation ließ nach. Sein Herz schlug langsam und schwer. »Es war voll, aber nur immer eine Seite von jedem Blatt. Ich habe daher die anderen Seiten für meine - Sachen benutzt.« Ein letzter Hitzeschlag hinter den Augen.
    »Oh«, sagte Newboy und bemühte sich krampfhaft, weiterzulächeln. »Das ist aber peinlich. Sie haben diese Tagebuchpassagen gar nicht geschrieben?«
    »Nein, Sir, nur die Gedichte.«
    »Oh, ich . . . nun, dann ... es tut mir wirklich leid.« Newboy ließ aus dem Lächeln ein Lachen werden. »Jetzt

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