Dhalgren
Hand durch den ausgefransten Ring.
Er kaute und leckte und schluckte und saugte und leckte.
Als das metallene Innere bis auf einen kleinen Rest in der unteren Ecke leer war, für den sein Mittelfinger zu dick gewesen war, ging er zurück in die Küche, spülte die Dose aus und ließ aus dem Plastikausguß der Kanne dampfenden schwarzen Kaffee hineinlaufen. Die heiße Dose zwischen den Händen ließ ihn gewahr werden, daß seine Linke trocken war, die Rechte klebrig.
Auf dem Sofa hielt er sie zwischen den Knien, beobachtete den Dampf und wurde schläfrig. Nahm einen Schluck (heiß, bitter), fand, daß er es nicht mochte, und ließ die Augen zufallen . . .
»Ja, da ist er«, sagte Reverend Taylor.
Kid zwinkerte sich wach. Er hatte wirklich den Kaffee auf die Armlehne des Sofas gestellt, bevor er wegsackte.
»Ich glaube, es geht ihm nicht sehr . . . oh.«
Kid nahm die Dose zwischen die Fäuste, um sich dahinter zu verstecken - lauwarm. »Ah«, sagte Mr. Newboy. »Danke.«
Kid stellte den Kaffee wieder auf die Armlehne.
»Ah«, wiederholte Reverend Taylor, doch in einem so anderen Tonfall, daß es Kid erst Sekunden später auffiel. »Sie haben sich etwas zu essen geholt?«
»Ja, Ma'am.«
»Gut.« Reverend Taylor strahlte Newboy an, fegte um ihn herum und sagte beim Gehen: »Sie werden mich entschuldigen. Ich muß zurück.«
»Ich bin so froh, daß ich Sie gefunden habe.« Mr. Newboy trug eine Aktentasche vor sich her. Sein Gesicht strahlte blanken Eifer aus.
»Was wollen Sie?« Kids Körper prickelte immer noch vom Schlaf. »Woher wußten Sie, daß ich hier bin?«
Newboy zögerte vor dem Sofa (Kid blickte auf den Plüsch und dachte: Ganz schön staubig) und setzte sich. »Nur ein weiterer Beweis für die Größe dieser Stadt. Ihr Freund in der Bar - der große Blonde -«
»Tak?«
» - ja, der. Er hatte gesehen, wie Sie aus einem Bus stiegen und in diese Richtung gegangen sind. Er dachte, Sie gehen vielleicht zu Teddy's. Als Sie dort nicht waren, beschloß ich, hierherzugehen, falls Sie noch in der Gegend wären. Das hier habe ich noch nie gesehen. Ich werde Bellona bald verlassen, genauer: Morgen früh.«
»Oh«, sagte Kid »Er hat mich gesehen? . . . und Sie gehen? Hey, das ist aber schade.« Er kämpfte gegen das Prickeln und die Schlaffheit, riß sich hoch und ging in Richtung Küche. »Möchten Sie einen Kaffee, Mr. Newboy?«
»Danke«, sagte Newboy und rief: »Ja.«
»Weshalb« - durch die Tür - »haben Sie mich gesucht?«
Der Kaffee spritzte und zischte in das weiße, grobe Porzellan. Draußen klickte Mr. Newboy seine Aktentasche auf.
»Ich weiß nicht, wo Milch und Zucker sind.«
»Ich trinke ihn schwarz.«
Kid öffnete den Plastikausguß, nahm eine zweite Tasse für sich, (die Brühe in der Dose war kalt) und trug sie hinüber zum Sofa. Die Knöchel beider Hände brannten.
»Oh, danke.«
»Weshalb« - setzte sich neben Newboy - »wollten Sie mich sprechen?«
»Nun, ich dachte, Sie würden sich das gerne ansehen.« Weiße Papierstreifen waren über den viereckigen Inhalt gespannt. »Und das.« Jetzt ein schwarzes Blatt. »Und das. Das ist der Umschlag.«
Auf dickem, grob strukturiertem Papier standen in der Mitte die Buchstaben:
MESSING
ORCHIDEEN
Er griff nach dem - »Oh, meine Hände sind schmutzig . . .«
»Machen Sie nur, das ist bloß ein Abzug.«
- nahm den Umschlag, der plötzlich nach unten wegbog, als er ihn an einer Ecke festhielt, stützte ihn mit der anderen Hand und las wieder:
MESSING
ORCHIDEEN
»Und hier sind die Fahnen, die Sie durchgehen müssen.« Mr. Newboy deutete auf das Papier, das nun quer über Kids Knien lag. »Glücklicherweise ist es nicht allzulang. Sechsunddreißig Seiten, glaube ich. Mit Umschlag. Es können ein paar schlimme Fehler drin sein. Es wird auf etwas besserem Papier gedruckt werden als diesem hier. Ich würde für eine andere Schrifttype plädieren -«
MESSING
ORCHIDEEN
»- aber Roger erklärte - was wir ja alle wissen -, daß man sich hier in Bellona mit manchem abfinden muß.«
»Oh, yeah.« Kid blickte auf und ließ den Titel seines Buches in jenen Teil seines Bewußtseins einfließen, den er für die Realität reserviert hatte, während er ihn aus dem Teil, der den Träumen gehörte, verdrängte. Die Übertragung gelang gut, aber mit einer Stärke und Unvermeidlichkeit, die ihn denken ließ, daß man so Gewalt begreift.
»Hier sind die Illustrationen. Auch hier müssen wir uns mit Rogers Sinn fürs Theatralische
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