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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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finde ich wirklich, daß ich mich schon zum zweiten Mal lächerlich mache.«
    »Sie? Nein«, sagte Kid und fand, daß er wütend war. »Ich hätte etwas sagen sollen. Ich habe einfach nicht daran gedacht, als ich Ihnen an diesem Abend das Notizbuch gab. Ehrlich.«
    »Natürlich«, sagte Newboy. »Nein, ich meine einfach: Ihre Gedichte sind Ihre Gedichte. Sie stehen für sich. Nichts von dem, was ich darüber sage, wird sie irgendwie verändern. Und nichts, was Sie sagen - oder alles, was ich fälschlicherweise als Ihre Kommentare angesehen habe -, kann sie irgendwie betreffen.«
    »Glauben Sie das?«
    Newboy schürzte die Lippen. »Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob es stimmt oder nicht. Aber andererseits kann ich mir nicht vorstellen, wie irgendein Dichter schreiben kann, ohne so zu denken.«
    »Warum gehen Sie weg, Mr. Newboy?« Kid hatte die Frage angefangen, um eine Verbindung herzustellen. Aber jetzt schien sie genauso passend, das Thema zu beenden, weil man Newboys Verlegenheit und seine Verwirrung besser auf sich beruhen ließ. »Können Sie hier nicht gut arbeiten? Regt Bellona Sie nicht an?«
    Newboy akzeptierte den Themenwechsel und bekräftigte sein Einverständnis mit einem Schluck. »Irgendwie haben Sie wahrscheinlich recht. Ab und zu treffe ich auf etwas, was mich daran erinnert, daß ich - obschon nicht so oft, wie ich es mir manchmal wünsche - immer noch Dichter bin. Wie sagt es Mr. Graves? Jedes Gedicht handelt von Liebe, Tod oder dem Wechsel der Jahreszeiten. Hier wechseln die Jahreszeiten nicht. Also gehe ich fort.« Hinter der dünnen Dampfsäule strahlten graue Augen. »Und schließlich bin ich nur Besucher. Aber die Umstände scheinen diesen Zustand so allmählich verändert zu haben, daß es mich sehr beunruhigt.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe einige sehr nette Leute kennengelernt, einige faszinierende Dinge erlebt, hatte ungeheure Erfahrungen - so wie sich die Stadt mir darstellte. Ich bin mit Sicherheit nicht enttäuscht worden.«
    »Aber nicht alle Dinge, auf die Sie gestoßen sind, waren angenehm?«
    »Sind sie das jemals? Nein, Roger hat dafür gesorgt, daß ich bis Helmsford gebracht werde. Von da können mich einige Leute nach Lakeville mitnehmen. Dort gibt es noch Transportmittel. Ich kann dort einen Bus zum Flughafen nach Pittsblain nehmen. Dann - zurück in die Zivilisation.«
    »Was war so unangenehm hier?«
    »Nicht unwichtig war unser erstes Zusammentreffen.«
    »Bei Teddy's?« Kidd war überrascht.
    Newboy runzelte die Stirn. »An der Mauer. Hinter Rogers Haus.«
    »Oh. Oh, yeah. Das.« Er lehnte sich ein wenig auf dem Sofa zurück. Zwischen den Vorderteilen seiner Weste rollte der Projektor hin und her. Er blickte nicht hin und fühlte sich unbehaglich.
    »Innerhalb dieser Mauern, fürchte ich«, grübelte Newboy, »gibt es all diese Intrigen und persönlichen Feindschaften, die - nun die man in einem solchen Haus wie Rogers erwartet. Und das fängt an, mich zu langweilen.« Er seufzte. »Ich glaube, solche Dinge haben mich mein ganzes Leben lang von Stadt zu Stadt getrieben. Nein, ich kann nicht sagen, daß Bellona ein schlechtes Beispiel war. Aber selbst für mich, in meinem Alter, waren nicht alle Lektionen hier freundlich.«
    »Jesus«, sagte Kid, »was da passiert ist-«
    »Es gibt, wenn ich es stark vereinfache«, fuhr Newboy fort (Kid holte tief Luft und griff nach dem Kaffee), »zwei Arten von Künstlern. Der eine widmet alles seiner Arbeit, auf sehr reale Weise. Wenn er keine dicken Bände produziert, nun, dann arbeitet er eben viele, viele Versionen durch. Er vernachlässigt sein Leben, und sein Leben schaukelt und schwankt und stürzt manchmal ins Chaos. Es ist arrogant, wenn wir ihn als unglücklich bezeichnen. Oder, wenn er offensichtlich unglücklich ist, wenn wir den Grund dafür festlegen. Wir sollten ihm dankbar sein, denn er verleiht der Kunst ihre Romantik, ihre Energie und schafft diesen für heranwachsende Köpfe so unabdinglich notwendigen Anreiz, ohne den die Reifung zum Erwachsenen unmöglich ist. Wenn er Schriftsteller ist, schleudert er die Worte in den Teich unserer Gedanken. Wenn er genau gezielt hat, sind die Wellen ungeheuer und glitzern und blitzen im Licht unseres Bewußtseins. Ihr Amerikaner - von den Australiern ganz zu schweigen - mögt ihn außerordentlich gern. Aber es gibt einen anderen Typ, einen europäischeren Typus - ein Beispiel für die Dinge, die Europa mit dem Orient gemeinsam hat -, unter denen sind Spenser und Chaucer,

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