Dhalgren
wissen, was mit ihnen geschehen ist, seit der Mann mit dem Gewehr —«
»Ich -« Finger, Metall und Panzer bewegten sich in seinem Schoß. »Ich weiß nicht - ich meine, ich lebe in einer Stadt.« Er bewegte sie, konnte sie aber nicht hochheben. »Vielleicht lebst du in einer anderen. In meiner . . . verrinnt Zeit, spult sich zurück und nach vorn, verdreht sich und zeigt, was . . . auf der Unterseite ist. Die Dinge bewegen sich. Yeah. Vielleicht kannst du es erklären. In deiner Stadt. In deiner Stadt bist du vernünftig und ich verrückt. Aber in meiner, bist du diejenige, die ausgeflippt ist. Weil du mir dauernd Dinge erzählst, die nicht zu dem passen, was ich sehe! Vielleicht ist dies die einzige Stadt, in der ich leben kann. Ein Typ mit einem Gewehr? Im Park?« Er lachte gebrochen. »Ich weiß nicht, ob ich in deiner leben will.«
Sie schwieg. Einmal zuckte sie, als habe sie einen Gedanken, entschied sich aber ihn nicht auszusprechen, sondern Sekunden später den nächsten: »Du sagst, du hast mich . . . gestern abend in der Kirche zuletzt gesehen? Und davor . . . gestern morgen? Im Park? Gut. Ich akzeptiere es, wenn sich das für dich so darstellt, wenn du akzeptierst, daß ich das anders sehe. Okay.« Sie machte eine Handbewegung auf sein Knie zu, berührte es aber nicht. »Ich bin neugierig auf . . . deine Stadt. Aber frag mich auch bald, was in meiner passiert. Vielleicht gibt es dort etwas, was dir helfen kann.«
»Du hast mein Notizbuch?«
»Ja.« Sie lächelte. Ich habe mir gedacht, du wärest so weggetreten, daß du es auf dem Fußboden vergessen würdest. Du hast ganz schön komisches Zeug geschrieben.«
»Meine Gedichte?«
»Die auch«, gab sie zurück.
Worauf er die Stirn runzelte, weil etwas von dieser unaufgelösten Wärme in ihm mit dem Wunsch zu schreiben verbunden war.
»Ich bin froh, daß du es hast. Und daß du hergekommen bist. Weil ich -«
Schritte unter ihnen.
Und Dennys Kopf erschien über dem Bettrand.
»Hey, also, das ist - oh. Du.« Denny kletterte hinauf, und jemand anders folgte ihm.
Sie blieb stehen, als ihr Kopf gerade über den Rand blickte, und erkannte Kid mit einem Stirnrunzeln, das in Resignation überging, kletterte dann das letzte Stück hinauf, wobei die Brüste unter blauem Jersey schwangen.
»Um . . . das ist ihr Hochbett«, sagte er zu Lanya.
»Es ist seins«, sagte das Mädchen. »Nicht meins. Das ganze Zeug hier oben gehört ihm. Wir wollten nur von der Meute wegkommen.«
»Weißt du«, sagte Kid, »anstatt mir zu sagen, was passiert ist, als ich dort war, solltest du besser herausfinden, was hier läuft.«
»Klar«, sagte Lanya. »Was denn?«
»Ich habe zum Beispiel diese beiden hier gevögelt. Das kam mir vor, als hätte es sich über Tage erstreckt.« Dennys Kinn zuckte. Das Mädchen seufzte leise.
»Denny ist gut zu vögeln«, meinte Kid. »Das Mädchen auch. Aber manchmal wird es ein bißchen hektisch.« »Denny . . .?« sagte das Mädchen.
Denny setzte sich auf die Fersen. Seine Blicke schossen zwischen Lanya und Kid hin und her.
»Vielleicht«, sagte Kid, und plötzlich fuhren seine Hände auseinander, »könnten wir alle zusammen bumsen. Ich meine, wir vier. Das klappt wahrscheinlich besser -«
Das Mädchen sagte: »Denny, ich werde mit Copperhead und ein paar Freunden irgendwohin gehen. Das habe ich dir vorher erzählt. Weißt du, ich habe . . .«
»Oh«, sagte Denny. »Okay.«
»Sicher?« fragte Kid das Mädchen. »Ich meine, die ganze Idee ist doch, weil ich dachte, du fühlst dich dann besser, wenn . . .«
Das Mädchen schwankte am Bettrand. »Also«, meinte sie, »du versuchst vielleicht, sehr nett zu sein, aber du verstehst es einfach nicht. Das ist nicht mein Bier. Vielleicht seins.« Sie nickte in Richtung Denny. »Ich weiß es nicht ... Ist es deins?« Das zielte auf Lanya.
»Ich weiß es nicht«, gab Lanya zurück. »Ich hab's noch nie probiert.«
»Ich habe nichts dagegen, wenn jemand zusieht«, sagte das Mädchen. »Wenn es ein Freund ist. Aber was wir gemacht haben«, sie zuckte mit den Schultern. »Nicht mit mir.« Sie kletterte von der Plattform herunter, hielt inne, als nur noch ihr Kopf zu sehen war. »Denny, bis später. Wiedersehen«, im gleichen Ton, an den sich Kid vom sechzehnten Stock der Labry Apartments erinnerte. Eine Sekunde später trat sie auf etwas, zischte ein erstauntes, unterdrücktes »Shit . . .« und war verschwunden.
Kid blickte von Denny zu Lanya, zurück zu Denny. »Wir . . .« begann er. »Wir
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