Dhalgren
dann, indem er den Kopf hob: »Ich glaube, du solltest wenigstens das Ding da abnehmen.«
(Kid sah auf seine Hand, die immer noch in der Luft hing. In dem anderen Raum war es stiller.)
Lanya setzte sich plötzlich auf. »Oh, wow. Klar.« Sie sah irgendwie eigenartig aus. »Ich habe es nicht mal gesehen.«
Sie kniete sich über ihn, nahm Kids Handgelenk, griff nach der Schnalle. Kid war völlig erstaunt, als Dennys Hand ebenfalls danach griff, ohne Unbeholfenheit die Klingen öffnete, und die Rüstung von seinem prickelnden Gelenk wegfiel.
Lanya legte sie auf die Fensterbank vor das Rollo, wo sie wie eine hohe, leuchtende Krone aufrecht stand.
Kid drehte seine befreite Hand in der Luft hin und her, sah die behaarten Gelenke an und die zerstörten Kuppen, die schwieligen Handflächen und die gekrümmten Knöchel, die sich öffneten, bis sie ermüdet zu zittern begann, herabfiel. Jemand zerrte an seinem Gürtel. Jemand zog an der Weste. Er lachte und drehte sich um, während nebenan eine Menge Leute das Haus verließen.
Sie liebten sich.
Es war kraftvoll. Es war gelöst. Es war intensiv. Er war Wärme, die sich um sie herum und zwischen sie legte. Sie waren Wärme, die sich um ihn und zwischen ihn und die anderen legte. Einmal, als er mit geschlossenen Augen über der klammen Decke lag, fuhr seine Hand an ihrem Brustkorb entlang und berührte mit der Daumenkuppe den unteren Rand ihrer Brust, (sie hielt den Atem an . . .) bis er an ihren Arm gelangte (. . . ließ ihn entströmen) und am Arm entlang bis zu der Stelle, wo ihr Ellenbogen auf Dennys Bauch lag und wo ihre Hand Dennys Penis hielt.
Nach einigen Augenblicken wanderte seine Hand weiter zum Gestade ihrer Hüfte, überquerte sie. Er preßte die Fingerspitzen in das Haar über dem Schambein, glitt mit der Hand hinein. Eines nach dem anderen berührte er ihre Genitalien. Schließlich kniete er sich hin, legte ein Knie über sie, beobachtete, wie sie ihm zusahen und blinzelte. Schweiß tropfte über seine Wangen. Ein Tropfen fing sich in seinen Wimpern und zitterte. Er senkte den Kopf.
*
War das nur eine einzige Stunde, fragte er sich, die drei Leuten vier Orgasmen ermöglichte? Jetzt weiß ich, warum ein Dichter Umschreibungen oder leere Stellen einsetzen muß, um einen Orgasmus ausreichend zu beschreiben, obwohl man das Vorspiel in all seinen faszinierenden und psychotropischen Details schildern kann: Orgasmen öffnen sich auf ein so weites Feld, daß man erst, wenn Sex so gut ist, verstehen kann, daß man sagt: »Sex ist nicht das Wichtigste«, und gleichzeitig fühlt, daß diese Worte einen Schatten von Wahrheit besitzen.
Dann fiel ihm wieder ein, mitten in seiner Selbst-Pontifikation, daß da noch zwei andere waren, die ihm zustimmen mußten, bevor er solches Gefasel als wahr akzeptieren konnte. Grinsend stieß er sich auf die Hände und kletterte über einen von ihnen (hielt inne und starrte auf das ihm voll zugewandte schlafende Gesicht, wo sich Lippen kurz aufeinanderpreßten, Nüstern aufblähten, zwei Finger herankamen und die Nase kratzten, wieder zurückfielen, immer noch schlafend), blickte zum anderen (auf der Seite liegend, mit geöffneten Lippen, unteres Lid leicht geöffnet über einer hellen Linie, Atem zischte gegen die gebogenen Knöchel). Er nahm den Stift aus Lanyas Tasche, steckte ihn ins untere Knopfloch seiner Weste und kletterte herab, wobei er seine Kleider hinter sich herzog.
Er fragte sich, ob sie beim Erwachen wohl denken würden, er sei ins Badezimmer gegangen.
Er zog seine Hose im Flur an, zog die Weste über. An seiner Brust zog sich eine kalte Linie entlang . . . der Stift. Die Kette um ihn herum war heiß. Er fuhr mit den Fingerspitzen daran entlang, war besorgt und wußte nicht warum.
Er ging durch den merkwürdig ruhigen Flur zur Verandatür und öffnete sie. Und zog das Gesicht zusammen. Goldene Trapeze lagen auf der geschindelten Bretterwand. Seine feuchte Haut wurde mit Bronze Übergossen. Jedes einzelne Haar auf seinem Unterarm glühte bernsteinfarben.
Er hörte, wie er laut einatmete, schloß den Mund.
Er blickte auf seine Brust hinab, und bevor seine Augen von Tränen verschwammen, sah er, daß ein Prisma eine kleine bunte Kette über seine Haut legte.
Hinter ihm lag das Haus in absoluter Stille.
Er rieb sich die Augen, schüttelte den Kopf.
Auf jeden Fall hörte das Tränen in den Augen auf.
Er hob wieder den Blick, blickte aus dem Verandafenster zum Horizont -
Als er zuerst nach New York
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