Dhalgren
Street?«
»Yeah«, antwortete Kid. »Ich wollte da Unterstützung haben, haben sie mir aber nicht gegeben.
Sie hob die Augenbrauen. »Ich bin da mal vorbeigegangen . . . habe die Schilder bei der Page Glass Company gelesen. Als ich hinuntersah, war da diese dicke Frau im geblümten Morgenrock, die einen alten Mann stützte, der mit einem Stöckchen vor sich tastete. Aber als sie zur Treppe kamen, bückte sie sich und fühlte herum. Und sie sagte: >jetzt weiß ich es . . . Jetzt weiß ich, wo es ist. < Nach drei weiteren Schritten merkte ich, daß sie auch blind war. Ich habe sie beobachtete, bis sie schließlich an der Tür angelangt waren. Es war faszinierend, aber auch erschreckend. Aber als ich weiterging, habe ich gedacht: Was für ein wunderbares Bild für einen großen Teil der menschlichen Geschichte, von Politik ganz zu schweigen. In praktisch jeder Beziehung, die ich kenne, ist etwas davon enthalten - und dann hat es mich richtig getroffen, und ich habe mitten auf der Straße angefangen zu lachen. Aber der Witz ist, daß mir das die ganze Zeit, wo ich sie beobachtet habe, nicht aufgegangen ist. Und ich konnte nur denken, wie glücklich ich war, und mich entschlossen, weder Maler noch Schriftsteller, noch Dichter zu werden. Denn wie könnte man heutzutage eine so absolut reale Erfahrung in einem Kunstwerk ausdrücken?«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Denny. »Was meinst du damit?« (Kid erkannte bei dem westenlosen Denny, daß eine seiner fünf Ketten aus Kupfer war. Rücken und Schultern, hier und dort rosa gesprenkelt, sahen weiß wie Stein aus.)
»Es ist nur . . .« Lanya runzelte die Stirn. »Also sieh mal Denny - du kennst doch den Ausdruck ... «
Kannte er nicht.
Während sie einen und einen halben Block lang versuchten, es zu erklären, merkte Kid, daß Denny wieder zwischen ihnen ging (»Aber warum kannst du nicht ein Wort nehmen, was schon einmal jemand gesagt hat?« forderte Denny noch einmal. »Ich meine, wenn du sagst, wo du es her hast, vielleicht . . . «), aber Kid konnte sich nicht erinnern, die Position gewechselt zu haben: Schroff wechselte er wieder zurück.
»Hier ist die Schule.« Lanya drückte Kids Arm. »Es sieht nicht wie eine aus, ich weiß. Aber ich glaube, das ist es gerade.«
»Sieht aus wie ein Drugstore«, sagte Denny. »Ich würde
nicht gern Schule machen, wo es wie ein Drugstore aussieht. Ich meine, nicht hier.«
»Es war ein Kleidergeschäft«, sagte Lanya.
»Oh«, Dennys Zunge formte sich zu einem kleinen Berg in seiner Wange. »Sieht aber wie ein Drugstore aus.«
»Ich hoffe nicht.« Lanyas Stimme klang richtig besorgt.
»Ich glaube, es sollte wie überhaupt kein Laden aussehen.« sagte Kid. »Ich meine, wenn da keine Leute reinstürmen sollen.«
»Das war die Idee«, meinte Lanya. »Ich fand, es sah überhaupt nicht wie ein Laden aus. Zumindest seit wir das Schild abmontiert haben. Nur wie ein Haus mit einem großen Fenster. Da ist doch keine Schrift drauf.«
»Ich habe aber schon solche Drugstores gesehen.« Denny nickte selbstbestätigend. »Die Leute hier stürmen immer die Drugstores und Arztwohnungen, weil sie denken, sie finden da Shit. Finden auch welchen.«
Lanya rüttelte an der Klinke. »Ich dachte, es sieht aus wie ein Kaffeeladen.« Die Tür ging auf.
Als er sich innen umdrehte, bemerkte er Vorhänge vor den Fenstern. Licht drang durch den Stoff. »Die habe ich von außen gar nicht gesehen.«
»Das Fenster ist so schmutzig, daß es auch keine Rolle spielt.«
»Es ist aber dunkel«, murmelte Denny. »Habt ihr hier Strom?«
»Da sind Laternen«, sagte Lanya. »Aber ich glaube, wir machen sie jetzt besser nicht an.«
»Mach doch dein Licht an«, sagte Kid zu Denny. Denny rasselte mit den Ketten.
Lanyas Hand fuhr hoch, um die Augen zu beschatten. ». . . das hat mich überrascht!« lachte sie.
Die Schatten der Stühle tanzten über das Linoleum, als das, was vorher Denny gewesen war, auf eine Art Tafel zuging. »Sieht aber wirklich innen wie eine Schule aus.«
»Angefangen haben wir einfach als Tagesstätte. Ihr glaubt gar nicht, wie viele Kinder es in Bellona gibt! Sie kommen alle hierher.«
»Du kümmerst dich um sie, während ihre Eltern zur Arbeit gehen?« fragte Kid.
»Ich weiß wirklich nicht, was ihre « - sie sah ihn an, biß sich auf die Lippen und fuhr damit über die Zähne -, »was ihre Eltern tun. Aber für die Kinder ist es besser, an einem sicheren Ort miteinander zu spielen. Und wir können ihnen hier etwas beibringen.
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