Dhalgren
empfinden, und wie aufgeregt Sie waren. Und über Ihre Erinnerungsprobleme. Wenn Sie das mit jemandem bereden wollen, würde ich das gern machen.«
»Jetzt?«
Lanya schaukelte in ihrem Stuhl.
Denny saß jetzt am Tisch. Sein Blick fuhr zwischen dem Wein und dem Kaffee hin und her.
»Himmel, nein. Vielleicht an einem Nachmittag nächste Woche. Das würde mir am besten passen. Ich muß noch mit zwei Patienten Sitzungen ausmachen, und wenn wir danach etwas tun wollen, wäre es leichter für mich, eine Verabredung zu treffen.«
»Oh«, sagte Kid. »Yeah. Machen Sie jetzt mit den Leuten Therapie?«
»Ja, schon eine ganze Zeit lang.«
Lanya sagte: »Ich habe Madame Brown erzählt, daß du schon einmal in Therapie warst.«
»Du hast ihr erzählt, daß ich in einer Nervenheilanstalt war?«
»Sie selbst haben das mir gegenüber erwähnt«, sagte Madame Brown.
Kid nahm einen Schluck Wein. »Yeah. Ich möchte gerne kommen und mit Ihnen reden. Danke. Das ist sehr nett von Ihnen.«
»Glauben Sie, daß er verrückt ist?« fragte Denny. Er hatte nur Kaffee getrunken. »Manchmal macht er ganz schön irre Sachen. Aber ich glaube nicht, daß er verrückt ist. Nicht wie Dollar.« Er sah über den Tassenrand Madame Brown an und erklärte: »Dollar hat schon jemanden umgebracht. Hat ihn mit einem Rohr über den Kopf geschlagen. Nein, Dollar ist wirklich bekloppt. Wollen Sie mit ihm reden?«
»Halt den Mund, huh?« sagte Kid.
Madame Brown sagte: »Ich fürchte, ich habe keine Möglichkeiten, mich mit . . . wirklichen Bekloppten zu befassen. >Verrückt< und >Bekloppt< sind Ausdrücke, die Ärzte nicht benützen - oder nicht benützen sollten. Nein, ich glaube nicht, daß Kid verrückt ist.«
Dennys Kopf hatte sich zur Seite geneigt, seine Zunge fuhr in die Wangenhöhle, und er lauschte der Belehrung. Sein Mund änderte über der Tasse die Form. Er hatte es offensichtlich gefunden.
»Ich möchte keine lange Geschichte anfangen«, sagte Kid. »Wo ich wieder und wieder hinkommen muß. Ich weiß, so geht das. Aber das will ich einfach nicht anfangen.«
»Ob Sie eine lange Behandlung brauchen, hängt davon ab, was wir in der ersten Sitzung herausfinden, oder? Also machen wir erst mal das.«
»Okay . . .« meinte Kid zurückhaltend.
»Wißt ihr« - die Beine von Lanyas Stuhl kamen herab -, »diese Sache, daß Dollar Wally umgebracht hat, hat mich richtig mitgenommen.«
»Was ist denn das?« fragte Madame Brown. »Wer hat wen umgebracht?«
Sie erzählten es ihr.
»Also, das hört sich irre an.« Madame Brown nickte.
»Oh, so schlimm ist es auch nicht«, antwortete Denny.
Madame Brown seufzte: »Nun, ich denke, jener Nachmittag stellte recht außergewöhnliche Umstände her.« Aber das klang mehr besorgt als überzeugt.
Es klingelte.
Sobald sie hinausgegangen war, sagte Denny: »Weißt du eigentlich, daß letzte Nacht, als du geschlafen hast, die Typen zwei Mädchen hinten hatten, die sie gebumst haben? Mann, diese Nigger kamen richtig zur Sache. Ich habe schon eine Menge gesehen, habe aber nicht mitgemacht. Eine von den beiden, diese kleine Weiße, war richtig ausgeflippt, Mann! Ehrlich. Ausgeflippt. Glas sagte, ich solle auch mal, wenn ich Lust hätte.« Er drehte die Tasse in den Händen und preßte den gesprungenen Henkel zwischen die Tischbretter. »Habe ich auch gemacht. Aber um zu kommen, mußte ich mir vorstellen« - Denny blickte Kid an -, »ich tät's mit dir.«
»Du bist aber eifrig, huh?« Kid hatte es nicht gewußt. Er war überrascht.
Denny sah Lanya an. »Ich habe mir auch dich vorgestellt.«
»Ich weiß nicht, ob ich geschmeichelt sein soll oder nicht.« Wieder schaukelte sie mit dem Stuhl. »Ich habe mich immer als eine ganz aufgeklärte junge Dame gesehen, aber ihr beide gebt mir ein Gefühl, als sei ich gerade aus dem Kloster gekommen. Nicht« - die Stuhlbeine berührten den Boden -, »daß ich jetzt versuche, mitzuhalten . . . nun, vielleicht ein bißchen.« Sie stand auf, ging um die Tischdecke und legte beide Hände um Dennys Gesicht, das sich zwischen ihren Handflächen drehte und den Mund öffnete. Ihr Mund traf auf seinen. Er hielt sich an der Tischkante und reckte den Hals, um sie zu küssen. Schließlich löste er eine Hand und umfaßte ihre Taille. »Hey« - er zog sein Gesicht weg -, »das ist gut«, kicherte er und küßte sie noch einmal. Auf Kids Lachen hin sahen sie auf.
»Was würdet ihr tun?« sagte Kid, »wenn ich das ganze Nest mitbrächte, sie alle der Reihe nach aufstellen ließ
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