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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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einem städtischen College in Delaware. Kein Abschluß.«
    »Wann bist du geboren?«
    »Neunzehnhundertachtundvierzig. Ich war auch in Mittelamerika. Mexiko. Ich komme gerade aus Mexiko und ich . . .«
    »Was möchtest du verändern in der Welt?« fuhr sie mit der Fragerei fort und sah weg, »was möchtest du erhalten. Was suchst du? Vor was läufst du weg?«
    »Nichts«, sagte er, »und niemand und gar nichts . . . jedenfalls nicht, daß ich wüßte.«
    »Du hast kein Ziel?«
    »Ich möchte nach Bellona und -« er lachte in sich hinein, »ich möchte das gleiche wie alle anderen auch, jedenfalls im normalen Leben: die nächste Sekunde mit einigermaßen heilem Verstand überleben.« Die nächste Sekunde verstrich.
    »Wirklich?« fragte sie, kühl genug, um ihn spüren zu lassen, daß das, was er gerade gesagt hatte, reichlich künstlich klang (und dachte, jede Sekunde bringt ihn der Gefahr näher). »Dann sei froh, daß du nicht bloß irgendein Typ bist, den sich irgendein anderer in seinem verlorengegangenen Notizbuch ausgedacht hat; du wärest tödlich langweilig. Hast du überhaupt keinen Grund, dorthin zu gehen?
    »Wenn ich in Bellona bin . . .«
    Als er nicht weitersprach, sagte sie: »Du mußt es mir nicht sagen. Du weißt also nicht, wer du bist? Das herauszufinden wäre aber ein bißchen wenig für den weiten Weg, den du von oben von New York mit Umweg über Japan hierhergefunden hast. Ahh . . .!« sie verstummte abrupt.  
    »Was ist?«
    »Nichts.«
    »Was?«
    »Wenn du neunzehnhundertachtundvierzig geboren bist, müßtest du älter als siebenundzwanzig sein.« »Wie meinst du das?«
    »Oh, verdammt«, sagte sie, »es ist nicht so wichtig.«
    Er begann, langsam ihren Arm zu schütteln.
    Sie sagte: »Ich bin neunzehnhundertsiebenundvierzig geboren, aber v iel älter als achtundzwanzig.« Wieder zwinkerte sie ihm zu. »Aber das ist wirklich nicht wich . . .«  
    Er rollte sich in den raschelnden Blättern auf den Rücken. »Weißt du, wer ich bin?« Die Nacht hatte ein unbestimmtes Licht mit wechselnden Wolken. »Du bist hergekommen, um mich zu finden. Kannst du mir nicht sagen, wie ich heiße?«
    Kälte breitete sich an der Seite aus, wo sie gelegen hatte.
    Er wandte seinen Kopf.
    »Komm!« Als sie aufrecht saß, wehte ihr Haar ihm entgegen. Ein paar Blätter flogen über sein Gesicht. Auch er setzte sich auf.
    Doch sie war schon losgelaufen, ihre Beine flogen durch die Mondschattenflecken.
    Woher sie wohl den Kratzer hatte?
    Er griff nach seiner Hose, ein Bein, das andere, das Hemd, die eine Sandale, sprang auf die Füße -
    Sie war schon um die Felsenecke.
    Er stoppte noch einmal kurz für den Reißverschluß und die beiden Gürtelschnallen. Zweige und Steine bohrten sich in seine Füße. Sie rannte so schnell!
    Er holte sie ein, als sie sich umwandte. Als er seine Hand auf den Stein legte, zuckte er zurück: Der Felsen war naß. Er sah die Dreckklumpen an der gelblichen Unterseite.
    »Da . . .«Sie deutete auf die Höhle. »Kannst du es sehen?« Er versuchte, ihre Schulter zu berühren, doch vergeblich.
    Sie sagte: »Geh rein. Geh du vor.«
    Er streifte seine Sandale ab; Gebüsch knisterte. Dann ließ er das Hemd fallen, das Knistern war gedämpfter.
    Sie sah ihn erwartungsvoll an, trat dann zur Seite.
    Er ging hinein - spürte Moos unter der Ferse, nassen Felsen unter den Zehen, zog den anderen Fuß nach -, nasser Stein.
    Atem zitterte um ihn. Irgend etwas Trockenes streifte in der klebrigen Dunkelheit seine Wange. Er faßte nach: eine vertrocknete Weinranke mit Blättern. Sie wehte hin und her. Ein schreckliches Rasseln weit über ihm. Er dachte an einen tödlichen Abgrund, als er den Fuß vorzog. Seine Zehen fanden einen Zweig mit loser Rinde . . . einen Haufen nasser Blätter . . . plötzlich Wasser . . . nächster Schritt, Wasser überspülte seinen Fuß. Noch einen Schritt:
    Nur Felsen.
    Links ein Flackern.
    Noch ein Schritt, das Flackern wurde orange, war hinter irgendwas, was wie die Wand einer Felsennische aussah mit einem Schatten als Decke. Nächster Schritt.
    Hinter einem toten Ast lag eine Metallschüssel, so groß wie ein Autoreifen, fast verbrannt. Etwas in den letzten Flammen zischte, sprühte Funken auf die nassen Steine.
    Vorn, wo das Flackern hoch bis zu einer engen Öffnung hinaufleckte, wurden die Funken zurückgeschlagen.
    Er kletterte um einen Felsen, hielt an; das Echo seines Atems und des Feuers gab ihm eine Vorstellung von der Größe der Höhle. Er erspähte eine Schlucht,

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