Dhalgren
übersprang sie und kletterte auf die nächste Erhöhung. Unter ihm löste sich etwas. Er hörte, wie die Steinchen in die Ritze unter ihm fielen, stolperten, hüpften, dann flüsterten - und wieder Stille. Dann ein Aufspritzen!
Er zog die Schultern hoch, hatte gedacht, es sei vielleicht einen Meter tief, mehr nicht.
Lange Zeit mußte erklettern. Eine Wand, ungefähr fünf Meter hoch, hielt ihn eine Weile auf.
Er ging etwas weiter und kletterte an den unregelmäßigeren Vorsprüngen hoch, fand einen dicken Wulst, der sich, als er sich daran hochzog, als Wurzel entpuppte. Er fragte sich, wozu diese Wurzel gehören mochte und erreichte die Kuppe.
Zehn Zentimeter vor seiner Nase fuhr etwas Weiches vorbei: Heek! und hastete in die welken Blätter.
Er schluckte, und das Prickeln, das ihm den Rücken herabrann, verschwand. Er zog sich das letzte Stück hinauf und stand auf.
Es lag in einem Spalt, der sich in endlosen Schatten verlor.
Das eine Ende schlang sich um einen Farnbüschel.
Er griff danach; sein Körper schirmte das Licht von dem Brennofen unten ab; das Glimmern verschwand.
Er empfand wieder das Gefühl, als habe er das Unerwartete bereits gesehen, oder als sei es zufällig enthüllt worden. Er suchte nach einem Zeichen der Bestätigung: schneller werdender Atem, langsamer schlagendes Herz. Doch was er wahrnahm war, war so substanzlos wie die Loslösung der Seele. Er hob die Kette auf; das eine Ende klirrte und glitzerte am Stein herab. Er drehte sich, um den orangenen Schein darauffallen zu lassen.
Prismen.
Zumindest einige. Andere waren rund.
Er ließ die Kette durch die Finger gleiten. Einige der runden Elemente waren durchsichtig. Wenn sie durch die Zwischenräume seiner Finger liefen, erlosch das Licht. Er hob die Kette, um durch eine der Linsen zu blicken. Es war jedoch undurchsichtig. Er hielt sie schräg und sah verschwommen und entfernt in dem Kreis sein eigenes Auge, das mit dem Glas zitterte.
Alles war still.
Er zog die Kette durch die Hand. Alles in allem war sie neun Fuß lang. Drei verschiedene Stücke waren daran befestigt. Jedes der drei Enden bog sich zu einer Schlaufe. An der größten hing ein kleines Metallblättchen.
Er beugte sich hinab, um es besser ins Licht halten zu können.
Ein Blechzentimeter (die Verbindungsstücke zwischen den linsenartigen Teilen waren aus Blech) trug die Inschrift: producto do Brasil.
Er dachte: Was für ein verdammtes Portugiesisch soll das sein?
Noch einen Moment lang blieb er gebeugt stehen und starrte auf die glitzernden Linien.
Er versuchte, sie zusammenzulegen, um es in die Jeanstaschen zu stopfen, konnte jedoch die drei verwickelten Stränge nicht mit den Händen bändigen.
Er stand auf, fand die größte Schlaufe und beugte den Kopf. Spitzen und Kanten berührten seinen Hals. Er hielt die winzigen Ringe unter seinem Kinn zusammen und fummelte (dachte: wie verdammte Keulen), bis sie sich zusammenschlossen.
Er sah auf die Lichtschlaufen zwischen seinen Füßen hinab, nahm den kürzesten Teil von seinem Schenkel. Hier war die Schlaufe kleiner.
Er wartete und hielt den Atem an - dann wand er sich die Schlaufe zweimal um den Oberarm, zweimal um den Unterarm und schloß sie um sein Handgelenk. Er ließ die Hand über die Perlen und Verbindungsstücke, die so hart wie Plastik oder Metall waren, gleiten. Brusthaar kitzelte in den Lücken zwischen den einzelnen Teilen.
Den längsten Teil führte er über den Rücken: Die Stücke lagen wie kalte Küsse zwischen den Schulterblättern. Dann über die Brust; wieder über den Rücken, den Bauch. Er hielt das lange Ende in der Hand (immer noch hing es auf die Steine hinab) und löste seinen Gürtel mit der anderen.
Mit herabgelassenen Hosen wand er das letzte Stück um die Hüften, dann um seinen rechten Schenkel, die Knöchel. Er zog die Hosen hoch, ging auf den Felsbuckel, schloß den Gürtel und begann, hinabzuklettern.
Er spürte seine Fessel. Doch wenn er die Brust platt auf den
Stein preßte, waren es nur glatte Schnüre und schnitten nicht ein.
Jetzt ging er an dem Abgrund so weit entlang, bis er nur noch einen Fuß breit war und schritt hinüber. Der Eingang der Höhle war wie ein Lambda aus Mondnebel mit einem Spitzenmuster aus Blättern umrahmt.
Die Felsen kitzelten seine Fußsohlen. Als seine Gedanken abschweiften, brachte sie kaltes Wasser an seinem Fuß zurück. Die Kettenglieder wurden an seinem Körper warm. Er stoppte, wollte ihre Wärme fühlen, doch die Kette war nur
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