Dhalgren
meine«, sagte sie, »was tust du hier?«
»Hm.« Eddy zuckte die Achseln. »Wir machen nicht so viel. Wir wohnen einfach hier, die Skorpione. Weißt du, wir sind alle zusammen. Hier. Sonst nichts.«
»Aber du«, begann sie vorsichtig, »raubst keine Leute auf der Straße aus und klaust ihnen das Geld oder so?«
»Nein«, sagte Eddy beleidigt. »Nee, so was machen wir nicht. Wie kommst du darauf, daß wir so was machen?«
»Das sagen die Leute«, gab June zurück. »Manchmal steht das auch in der Zeitung.«
»In der Zeitung stehen eine Menge Dinge, die nicht stimmen. Das weißt du doch. Außerdem ist Kid ein Freund von dem Typen, der die Zeitung macht. Er gibt eine Party für Kid, und wir gehen alle hin. Von daher wird uns die Zeitung vielleicht ein bißchen besser behandeln, huh?« Das letzte war an Kid gerichtet.
Kid stand mit verschränkten Armen an der Tür und zuckte die Achseln. »Was tut ihr denn?«
»Ich weiß nicht«, sagte Eddy. »Wir gehen auf Runs.«
»Was ist das?«
»Weißt du . . .« Eddy blickte Kid an. »Kid ist hier der Boß. Er nimmt uns mit auf Runs.«
»Was macht ihr denn auf einem . . . Run?«
»Nun, die Typen sind da alle zusammen und wir . . . gehen irgendwohin, checken alles durch, holen uns Zeug, was wir wollen, Sachen, die wir haben wollen.«
»Essen?«
»Kein Essen. Man geht nicht auf Essen-Runs, wenn man ein Skorpion ist, außer, es wird wirklich knapp. Man ist auf andere Dinge aus . . .«
»Was denn?«
»Zeugs.«
»Und bringt es hierher?«
»Wenn wir es haben wollen.«
»Sieht nicht so aus, als ob ihr hier viel hättet«, meinte June.
»Wir brauchen nicht viel.«
»Aber was macht ihr denn dann auf diesen Runs?«
»Nun, wir . . .« Eddy zuckte die Achseln.
»Wir brechen ein«, sagte Kid. »Das ist die Hauptsache. Und wenn da Leute sind, die wir nicht abkönnen, geben wir ihnen eine Abreibung.«
»So was tut ihr?« fragte June Eddy.
»Manchmal. Yeah, manchmal. Aber meistens ist niemand da, wo wir hingehen. Die Leute, auf die man trifft, sind normalerweise so verschreckt, daß sie abhauen.« Er sah aus, als versuche er sich an etwas zu erinnern. »Oh, yeah. Wir sind auch ziemlich dicht, wenn jemand mit einem Problem zu uns kommt. Das passiert aber nicht zu oft. Die Leute haben Angst vor uns. Deshalb mischen sie sich nicht ein.«
»Das nennen die anderen Leute unsere Schutzfunktion«, erklärte Kid. »Wir schützen nur niemanden.«
»Yeah«, stimmte ihm Eddy zu. »Aber warum . . .?«
»Wir machen auch etwas anderes«, meinte Kid. »Wenn es etwas anderes zu tun gibt -«
»- weil . . .« begann Eddy. »Sieh mal, ich bin Skorpion und ich bin gerne Skorpion. Das ist besser als alles andere, was ich bisher gemacht habe. Draußen ist eine rauhe, gefährliche Welt, und wir müssen überleben . . . Die Leute haben vor uns Angst, obwohl sie vielleicht keinen Grund dazu haben. Aber das macht es leichter. Das Überleben. Ich bin Skorpion weil - wenn ein paar von uns die Straße entlanggehen und jemand sieht uns, dann denken sie« - Eddy schnippte mit den Fingern -, »yeah. Wir kommen und nehmen uns von allem das Beste, und wenn uns jemand davon abhalten will, dann soll er sich vorsehen. Wir sind zusammen, weißt du. Füreinander da. Wenn ein Skorpion Probleme bekommt, dann schwärmt das Nest aus! Wenn im Nest etwas vorkommt, kommen von überallher die Skorpione. Die Typen hier scheren sich nicht darum, wer du bist, wo du herkommst oder was du machst; sie sind für dich . . . wie eine Familie. Wenn du Skorpion bist, bist du Teil von etwas Wichtigem, das heißt schon etwas, das läßt die Leute stutzig werden, und dann denken sie . . .weißt du . . .?«
June sah verwirrt aus in der folgenden Stille.
»Deshalb bist du Skorpion?« Kid stand im Türrahmen und schüttelte den Kopf. »Shit . . . Hey!«
Ihre Augen blitzten ihn an -
»Sie haben George noch nicht gefunden?«
- und vergrößerten sich; ihr Kopf vibrierte eher, als daß er sich in Verneinung schüttelte.
»Suchen Sie weiter.« Kid versuchte ein Lächeln; es gelang ihm, und er fand seine Anstrengung lobenswert.
»Bestimmt.«
Als er durch den Flur ging, überlegte Kid die Möglichkeit, wenn Eddy mit June zusammen ging. Das wäre ziemlich gut. Er sah in das Zimmer hinein nach Dollar. Er lag in der gleichen Position (wie alle anderen) und atmete rauh und gleichmäßig.
Im Zimmer mit dem Hochbett stieß Kid mit dem nackten Zeh gegen Rabes Knie. Rabe saß mit gekreuzten Beinen vor einem Haufen Schrauben und
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