Dhalgren
zufällig. Rabe ging -
»Ich werde alle anderen hier weghalten«, sagte Kid - und duckte sich dann wieder durch die Tür. »Hey, ich wollte noch ein bißchen Wasser im Spülstein nachlaufen lassen . . .?«
»Später«, meinte Kid.
»Okay.« Und ging wieder.
June sah aus dem Fenster. Eddy beobachtete sie und zog an seinem Nackenhaar. »Was wolltest du, huh?« June drehte sich um.
»Ich hatte gedacht«, meinte Eddy, »ihr würdet alle gehen. Ich meine, ich dachte, Mom und Daddy würden dich und Bobby in eine andere . . . Stadt bringen.«
»Sie haben es ihm nicht gesagt?« fragte June. »Mit Bobby?«
»Bis vor drei Minuten habe ich nicht gewußt, daß er Ihr Bruder ist«, sagte Kid. »June hat Bobby zufällig in einen Fahrstuhlschacht gestoßen, und er hat sich den Hals gebrochen. Er ist tot.« Und sogleich stand ihm Georges Gesicht vor Augen und löschte alle anderen Reaktionen aus.
»Mutter ist sehr krank«, sagte June. »Es geht ihr wirklich nicht gut. Und ich mache mir um Daddy Sorgen. Er geht jeden Tag zur Arbeit, weißt du, trotz allem. Aber jetzt kommt er manchmal drei oder vier Tage nicht nach Hause . . .«
»Huh?« Eddy lehnte sich gegen die Waschmaschine. »Was . . .?« was keine Reaktion auf Junes Worte bedeutete.
»Ich mache mir solche Sorgen, daß ich nicht weiß . . . was ich tun soll. Ich schwöre . . .!« Obwohl ihre Sätze so stockend wie zuvor kamen, klang jedoch jedes Fragment jetzt fester. »Seit du weg bist, ist alles . . . alles ist einfach auseinandergefallen. Alles, Eddy. Seit du gegangen bist, ist alles, als . . . hätte man den Stecker herausgezogen, und alles hätte aufgehört. Alles.«
»Jesus Christus . . .« Eddy blickte auf den Boden und schüttelte den Kopf. »Bobby . . .?«
Sie kreist, dachte Kid, sie kreist, großartig banal, ohne Schuld oder Unschuld zuzugeben. Wenn auch nur in ihrer Beschränktheit, so ist sie doch heroisch!
June biß sich auf die Lippen und schüttelte den Kopf. »Kommst du nach Hause?«
Und dann, wie ein Nachgedanke: Sie ist nur ein siebzehnjähriger, überbeschützter Gott. (Irgendwo lauerte George.)
»Also«, gab Eddy zurück. »Warum . . .?« Dann sagte er: »Bobby ist tot? Und Dad kommt nicht mehr?«
»Manchmal«, antwortete sie. »Manchmal kommt er . . .«
Eddy blickte auf. »Weshalb sollte ich zurückkommen?«
»Oh, wenn du dir etwas Nettes anziehen würdest, dir die Haare schneidest und so und sagen würdest, es täte dir leid . . .«
»Leid? Er hat gesagt, er bringt mich um, wenn ich zurückkomme!«
»Aber das war doch nur, weil . . .«
»Sie fangen wieder an«, sagte Eddy. »Sie fangen jedes Mal wieder an, wenn ich zurückkomme, und ich kann nichts dagegen tun. Ich weiß nicht wie. Deshalb bin ich gegangen . . .«
»Aber wenn du sagst, es täte dir leid, daß du dich so benommen hast -«
»Entschuldigen? Wofür? Yeah, es tut mir leid, daß sie mich jedes Mal, wenn ich zurückkomme, piesacken, bis ich in die Luft gehe, und dann schlagen sie zurück! Tut mir leid, daß Mommy krank ist. Tut mir leid, daß Daddy durcheinander ist. Tut mir leid, daß Bobby tot ist.« Eddy runzelte die Stirn und fragte nach einer Sekunde: »Hast du ihn umgebracht . . .?«
June begann still und heftig zu weinen.
»Oh, hey ... ich hab' das doch nicht so gemeint. . .« In Hüfthöhe öffneten sich seine Hände und schlossen sich wieder, öffneten und schlossen sich mit der Bewegung, die Kid als diejenige wiedererkannte, die Copperheads Wut hervorgerufen hatte.
»Du könntest uns wegbringen . . .!« Das Weinen brach laut heraus. Kid dachte, unter dem Schluchzen zu verstehen: ». . . aus dieser schrecklichen Stadt!« Doch sie war schwerer zu verstehen, als mancher Schwarze aus Jackson. Schließlich preßte sie die Lippen aufeinander, rieb sich die Augen und schnüffelte. »Ich möchte einfach, daß mich jemand wegbringt.«
»Warum geht Dad nicht?«
»Er glaubt, Mutter will nicht. Und ... ich glaube auch, er will nicht wirklich.«
»Bring du sie raus.«
»Ich bin nur ein Mädchen«, antwortete June. »Ich kann nichts tun. Ich kann überhaupt nichts machen.« Sie rieb sich mit den Handballen die Stirn.
(Eddys Hand drehte sich auf seinem Knie.) »Sie wollten doch vorher auch nicht gehen. Ich kann sie auch nicht dazu bringen!«
June hob das Gesicht aus den Händen. »Was machst du denn hier?« fragte sie leise und dringlich. »Oh, Eddy, komm bitte nach Hause. Was machst du an so einem Ort? Das hier . . . ist . . . einfach schrecklich!«
»Was?«
»Ich
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