Dhalgren
weiß einfach nicht, was ich tun soll. Wissen Sie, was ich meine?«
Alles, dachte Kid, was ich sagen würde, würde sich wütend und dumm anhören. Er sagte: »Klar«, und folgte Kamp die Treppe hinauf.
»Vor ein paar Monaten«, sagte Kamp, habe ich ein paar Experimente mitgemacht. Sie hatten nichts mit dem Mond zu tun. Ich mußte sogar eine besondere Erlaubnis von der Raumfahrtbehörde haben, um daran teilnehmen zu dürfen. Einige Studenten eines Freundes in Michigan machten Tests, und ich denke, er wollte mich als Versuchskaninchen dabeihaben, um sich mit dieser Feder zu schmücken. Weil ich schon so lange nichts mehr gemacht hatte, was nicht mit der Raumfahrt zu tun hatte, habe ich teilgenommen. Es ging um Experimente sensorischer Deprivation und Überstimulierung.« Kamp wartete oben an der Treppe auf Kid, ehe er weiter zum dritten Stockwerk ging.
Er führte Kid über einen Steinflur zu einer Doppeltür.
»Ich war bei dem Überstimulierungsteil. Das war allerdings alles ziemlich amateurhaft.«
Kid trat auf etwas wie einen halbrunden Balkon.
Von unten vernahm man schwach, wie ein Raum voller Leute zur Musik zu klatschen begann -
»Ich vermute, sie hatten alle zuviel über LSD gelesen -«
- und schrie.
»- Ich habe in den späten Fünfzigern LSD genommen - auch Tests, die dieser Psychiaterfreund geleitet hatte. Aber ich war schon immer meiner Zeit ein bißchen voraus. Jedenfalls weiß ich, was das ist, LSD. Und ich bin ziemlich sicher, die meisten dieser Kinder bei dem Test in Michigan da wußten es nicht.«
Die Terrasse war von einer Glaskuppel umschlossen. In der Mitte stand ein Himmelsglobus aus durchsichtigem Plastik von sechs Fuß Durchmesser. Licht vom Garten unter ihnen kämpfte sich durch den Rauch und schien wie verschwommene Milch.
»Ich vermute, Sie haben LSD und derartiges Zeug genommen?« »Klar.«
»Also, das einzige, was sie machten war, daß sie sich all die hübschen Bilder ansahen, die dort gemalt wurden.« Kamp berührte den Globus, nahm die Finger weg. Ares überkreuzte Libra. Die Sterne bestanden aus glitzernden Steinen auf den gezeichneten Konstellationen. »Sie hatten runde Projektionsräume, ungefähr so groß wie dieser Raum hier. Sie konnten ihn mit Farben, Formen und Blitzen bespielen. Sie setzten mir Kopfhörer auf und jagten Piepstöne, Klicken und oszillierende Frequenzen hindurch. Jedenfalls sollte ich dabei Grundraster ausmachen. Später erfuhr ich, daß ich in der Kontrollgruppe war: Uns hatte man gar keine solchen Raster gegeben. Man sagte mir, daß ich alles, was ich erkannte hatte, selber zurechtgemacht hätte . . . Aber nach zwei Stunden Test, zwei Stunden dieser Mätzchen und Schnörkel aus Licht und Tönen kam ich nach draußen in die richtige Welt und war verblüfft, wie . . . reichhaltig und kompliziert alles plötzlich aussah und sich anhörte: Die Strukturen von Beton, Borke, Gras, die Schatten von Wolken. Aber reichhaltig im Vergleich zu dem Überstimulationsraum. Reichhaltig . . . und ich merkte plötzlich, daß das, was die Jungs da Überstimulation genannt hatten, in Wirklichkeit Informations-Deprivation war. Es ist das Raster, das Farben und Formen annehmen, um zu vermitteln, daß es eine Kuh oder ein Auto ist, was man gerade ansieht. Es sind die feinsten Abstufungen von Farben auf einer Oberfläche, die besagen, ob es Ahorn oder Kiefer, Styren oder Polyäthylen ist, Leinen oder Flanell. Nehmen Sie irgendeinen Blick und schneiden oben und unten so viel ab, daß nur noch ein zentimeterbreiter Streifen übrigbleibt. Aber sie werden immer noch erstaunt sein über den Umfang der Informationen, die Sie erhalten, wenn Ihre Augen über diesen Streifen gleiten. Mich veranlaßte das, an den Mond zu denken. Denn das war ein Ort - und das gleiche gilt für jede Meile auf der Reise dorthin -, wo die Standard-Informationsraster zusammenbrachen. Aber dennoch, und darüber haben wir noch nicht reden können, seit wir zurück sind - zu niemandem. Wir wurden auf den längeren freien Fall vorbereitet, indem wir uns mit Tauchanzügen unter Wasser aufhielten. Ich kann mich erinnern, als wir endlich den schwerelosen Zustand erreichten, daß ich ins Mikrofon sagte: >hey, es ist wie unter Wasser! < doch als ich das in das Kinnmikro sagte, dachte ich: Aber sicher wirst du diese beiden Zustände niemals miteinander verwechseln. Doch ich konnte nicht ausdrücken, worin der Unterschied lag, also habe ich es so beschrieben, wie mir alle gesagt haben, daß es so schön sei, auch wenn
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