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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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weil er nicht den Ruhm und das Prestige und den Heldenrummel wollte. Was ich in meiner heutigen Stimmung schätze. Ist George daher ein schlechter Mensch?«
    »Ich glaube« - die Stimme klang trocken -, »in Ihrer ersten Frage lag implizit die so notwendige Unterscheidung zwischen denen, die Gutes tun und denen, die gut sind.«  
    »Sicher«, antwortete ich, »aber in dem was Sie sagten, lag explizit, daß man mit dem auskommen muß, was man hat. Ich kann George bekommen, wenn ich ihn brauche. Er ist genial genug für einen Gott, mit ein paar netten menschlichen Schwächen, sowie einer lustvollen Vorgeschichte.«
    »Ich glaube, ich bin immer noch zu judaisch-christlich, um mit einem explizit menschlichen Demiurgen zufrieden zu sein.«
    »Bei der Staatsreligion ist der Regierungschef Gottes ernannter Stellvertreter auf Erden, wenn ich mich recht erinnere. Ist es nicht genau das, was die Beziehung zwischen dem weltlichen und dem religiösen Oberhaupt so schwierig sein läßt, wie Sie mir gerade gesagt haben? Sie sind genauso ein Gott wie George - abzüglich einiger Himmelsbotschaften und natürlich -, aber das ist reine Schätzung - einiger Zentimeter an ihrem Schwanz.«
    »Ich glaube, eine der nützlichen Funktionen von Dichtern ist, Blasphemie auf die Altarstufen zu tragen. Wenn Sie sich doch nur nicht gerade heute dazu verpflichtet gefühlt hätten! Immerhin akzeptiere ich es als eine politische, aber keine religiöse Notwendigkeit.«
    »Mr. Calkins«, sagte ich. »Die meisten Ihrer Untertanen wissen nicht genau, ob dieser Ort hier überhaupt existiert. Ich repräsentiere hier keinen wohlüberlegten Protest. Ich war nicht sicher, ob es hier heute einen Vater geben würde. Ich wollte nur fragen -«
    »Fragen Sie, junger Mann.«
    Worauf ich zurückkommen wollte, wurde dadurch ausgelöscht, daß ich merkte, wie aufgeregt er wurde. »Um . . .« Ich versuchte, etwas Cleveres zu sagen, aber es gelang mir nicht. ». . . ist der Vater ein guter Mensch?«
    Als er keine Antwort gab, und ich zu vermuten/mich zu erinnern begann, fing ich an zu lachen. Ich war entschlossen, in Stille zu gehen und stand von der Armlehne auf. Nach drei Schritten jedoch brach mein unterdrücktes Blubbern in lautes Lachen aus, das stürmisch wurde. Wenn Calkins es hätte sehen können, hätte ich mein Licht angeblitzt.
    Um die Ecke bog Bruder Randy, die Robe flatterte über die Tennisschuhe. »Sie gehen?« Er trug immer noch die Methadrin-grimasse.
    »Um-hm.«
    Er wandte sich mit mir zum Gehen. Die Brise, die leise an meinem rechten Ohr begonnen hatte, blies nun stärker und schlug meine Weste an den Körper; sie riß Randolphs Kapuze ab. Ich blickte auf das einsame Australien im Südpazifik seines Schädels. Es war nicht annähernd so groß, wie ich es mir von dem sichtbaren Teil her vorgestellt hatte. Er merkte, daß ich es ansah; deshalb fragte ich: »Tut das weh?«
    »Manchmal. Ich glaube, der Staub und der Mist in der Luft sind nicht gut. Aber es ist jetzt viel besser als früher. Vorher lief es am Ohr vorbei bis an den Hals - als ich zuerst hierherkam. Vater hatte vorgeschlagen, daß ich den Kopf rasiere; dadurch würde es sicherlich besser abheilen.« Wir kamen an die Treppe. »Der Vater weiß eine Menge über Medizin. Er hat ein Zeug gemacht, womit ich es einreibe, und es scheint besser zu werden. Eine Zeitlang habe ich gedacht, er sei vielleicht Arzt gewesen, aber ich habe ihn gefragt . . .«
    Ich nickte in das Schweigen hinein und ging hinunter. Ich schwöre, er war auf einem Trip, und im gleichen Moment, als er zu reden begann, überfielen mich auditive Visionen eines endlosen Geschwätzes.
    ». . . und er hat geantwortet, das sei er nicht.«
    »Bis dann.« Er winkte mit der großen, durchsichtigen Hand.
    Den ganzen Weg über die kaputte Überführung versuchte ich, zusammenzubekommen, was ich von dem Mann hinter der Wand mitbekommen hatte. (Meine Lichter blitzten durch zwei Blumengitter aus Stein, Lichtschein um seinen Körper.) Ich fragte mich sogar, was er während unserer Unterhaltung gefühlt haben möge.
     
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    Wir haben nicht alles genau so gesagt; aber über diese Dinge haben wir geredet. Wenn ich es noch einmal lese, bringt es mir die Realität noch einmal zurück. Für ihn wohl auch? Oder habe ich die besonderen persönlichen Embleme ausgelassen, durch die er sich erinnern und wiedererkennen würde?
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    Das einzige, was mir half, als alle Spekulationen hinfällig wurden, war mein Drang, zu schreiben. (Haben Sie

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