Dhalgren
Mund, die Kehle hinunter; ich räusperte mich und dachte: Jesus, hoffentlich denkt er nicht, meine Stimme bricht vor Rührung!
»- ich ein wenig von dieser Unzufriedenheit loswerden möchte. Wenn er kein guter Mensch sein sollte, so ist der Vater doch sicher ein großzügiger Mensch. Er erlaubt mir, mich hier aufzuhalten . . . Natürlich besteht immer eine zwiespältige Verbindung zwischen dem ersten Mann des Staates und dem ersten Mann der Staatsreligion. Immerhin habe ich dazu beigetragen, das hier zu organisieren. Genau wie bei Teddy's. Sicher, in diesem Fall, war mein größtes - und leichtestes - Problem, wenn man meine Position bei der Times unterstellt, daß es keine Publicity gab. Bei Ihrem gegenwärtigen Zustand werden Sie das sicher schätzen. Aber nein, mein Verhältnis zum Vater ist nicht das des Weltlichen zum Priester. Zumindest auf meiner Seite ist es doppelzüngig und zweifelbeladen. Wenn ich nicht zweifelte, wäre ich nicht hier. Ich fürchte, Politik zieht sich wie Fäulnis durch das geistige Leben. Der gute Regierungschef sorgt immerhin dafür, daß es die bestmögliche Fäulnis ist.«
»Ist der Vater ein guter Mensch?« fragte ich noch einmal und versuchte, meine Stimme absolut unaufgeregt klingen zu lassen. (Vielleicht mißlang das?)
»Haben Sie schon einmal daran gedacht, mein junger Diogenes, daß, wenn Sie ihren eigenen Lampenzylinder einmal putzten, es Ihnen vielleicht ein bißchen besser gelänge, dieses mysteriöse und wunderbare Andere zu finden, hinter dem Sie her sind? Warum machen Sie sich darum solche Gedanken?«
»Damit ich hier leben kann«, gab ich zurück, »in Bellona.«
»Sie haben Angst, daß die Stadt in Schutt und Asche fällt, weil es nicht einen einzigen guten Menschen gibt? Sehen Sie besser zurück über den Schienenstrang, Junge. Die Apokalypse ist gekommen und gegangen. Wir wühlen nur in der Asche. Das ist einfach nicht mehr unser Problem. Wenn Sie heraus wollten, hätten Sie schon vor langer Zeit darüber nachdenken sollen. Oh, Sie sind sehr anspruchsvoll - und das bin ich manchmal auch. Nun, als Oberster der Staatsreligion ist der Vater ziemlich gut am Platze; gut genug, daß diejenigen, denen das nicht so gut gelingt, ein bißchen besser daran täten, keine Fragen zu stellen - besonders, wenn das alles ist, was wir erlangen können.«
»Wie schätzen Sie die Religiosität der Leute ein?« fragte ich.
»Wie meinen Sie das?«
»Sie wissen schon. Reverend Amy's Kirche; George, June, diese ganze Sache.«
»Nimmt das irgend jemand ernst?«
»Für einen Regierungschef«, sagte ich, » haben Sie ganz schön wenig Ahnung, was die Leute berührt, stimmt's? Sie haben doch die Dinge da am Himmel gesehen. Von ihm hängen in der ganzen Stadt Poster. Sie haben das Interview veröffentlicht und die Bilder, die aus ihnen Götter machten.«
»Ich habe einiges gesehen, sicher. Aber ich fürchte, diesen ganzen schwarzen Mystizismus und diese Homoerotik finde ich persönlich nicht sonderlich attraktiv. Und ich halte es auch nicht für eine besonders gute Basis für Frömmigkeit. Ist Reverend Taylor eine gute Frau? Ist George ein guter . . . Gott?«
»Ich bin nicht an jedermanns Religion interessiert«, sagte ich zu ihm. »Aber wenn Sie die Kirche dazu herunterkommen lassen wollen, die Leute hinauszuwerfen, die Gutes tun: Als ich sehr hungrig war, hat sie mir zu Essen gegeben; aber als ich verletzt und durstig war, sagte mir jemand vor Ihrem Tor, ich könne nicht einmal ein Glas Wasser bekommen.«
»Ja, man hat mir von diesem bedauernswerten Vorfall berichtet. Sie werden hier aber auch von Dingen verfolgt, nicht wahr? Aber als Sie noch nichts veröffentlicht hatten, habe ich Sie herausgebracht.«
»Gut.« Mein Lachen klang zu scharf. »Sie haben die ganze Sache schon im Griff, Mr. Calkins. Sicher ist das hier Ihre Stadt. Hey, erinnern Sie sich noch an den Artikel über mich, als ich die Kinder gerettet habe? Aus dem Feuer, am Abend Ihrer Party? Sehen Sie, das war nicht ich. Es war George. Ich war nur dabei. Aber er war da unten, suchte herum, ob irgend jemand Hilfe brauchte. Ich kam nur zufällig dazu und der einzige Grund, daß ich blieb, war, weil er mir erzählte, daß alle, die mit ihm von Teddy's dorthingekommen waren, aus Schiß wieder weggelaufen waren. Ich habe zuerst gehört, wie die Kinder weinten, aber George ist in das Gebäude gestürmt und hat sie lebend da rausgeholt. Und als Ihr Reporter ihn später erwischte, hat George so getan, als habe ich alles gemacht,
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