Dhalgren
zur Ecke.
»Das ist das erste Mal, seit ich hier bin, daß ich den . . .«Lanya brach ab.
Sie alle hielten an. Er schluckte schwer: Mit dem Kopf im Nacken ruckte es unangenehm an seinem Adamsapfel vorbei.
In einem Spalt war die Mondscheibe aufgetaucht; dann, als sich die Öffnung mit dem Wind weiterbewegte, sah er einen zweiten Mond!
Niedriger am Himmel, kleiner, war in einer zunehmenden Phase.
»Jesus!« sagte Jack.
Der Rauch fuhr wieder zusammen, riß wieder auf.
»Wartet mal eine verdammte Minute«, sagte Tak.
Noch einmal wurde die Nacht durch die kleinere, aber definitiv mondartige Scheibe erleuchtet. Daneben glitzerten ein paar Sterne. Der Rauch verzog sich hier, ballte sich dort: Der fast volle Mond schien darüber.
Vor der Tür der Bar hatte sich eine weitere Gruppe gebildet und starrte in die bewegte Nacht. Zwei, die eine Flasche anhoben, absetzten, kamen näher, entfernten sich wieder.
»Was zum Teufel - « der Himmel klärte sich wieder auf und zeigte zwei Lichter, halbrund und fast voll - »ist das?« fragte Tak.
Jemand sagte: »Was glaubst du denn, die Sonne?«
»Der Mond!« Jemand wies mit schäumender Flasche hinauf.
»Aber was ist das?«
Einer nahm dem anderen die Flasche aus der Hand. »Da ist noch einer . . . der gehört George!« Sie taumelten weg, verspritzten dabei Schnaps. Innerhalb der Gruppe lachten einige.
»Hast du gehört, George? Man hat einen verdammten Mond nach dir benannt!« Und aus dem Gelächter und Geschnatter hob sich ein lauteres Lachen.
Lanya drängte sich näher an seinen Arm.
»Jesus . . .« flüsterte Jack wieder.
»Paßt ihnen nicht«, sagte Tak. »Kommt.«
»Was ist es?« fragte Lanya wieder.
»Vielleicht eine Art Reflekrion. « Er bog seine Finger um ihre schmalen Schultern. »Oder einer von diesen Wetterballons. Von denen sie immer dachten, sie seien fliegende Untertassen.«
»Reflektiert von was, auf was? « fragte Tak.
Rauchwolken trieben darüber. Entweder der eine oder der andere oder beide Monde waren zu sehen. Jetzt spürte man auch die Brise. Der Himmel klärte sich. Über die Hälfte der Wolken hatte sich schon zusammengeballt. Stimmen drangen aus dem Eingang der Bar.
»Heh, wir haben einen Mond! Und wir haben einen George!«
». . . die schönsten Schäfchen, die hat der gute George . . .«
»Oh, Mensch, >thront< und George reimt sich nicht!«
(»Aber Tak und Jack«, flüsterte Lanya, kicherte und zog die Harmonika aus der Tasche.)
»Aber du erinnerst dich, was er mit dem kleinen weißen Mädchen gemacht hat -«
»Oh, Shit, das war ihr Name!«
Lanya blies mit der Harmonika Töne in sein Ohr. Er wich zurück, »heh . . .!« und kam beunruhigt zu ihr zurück. Sie streckte die Hand aus und nahm seine Zeigefinger. Etwas kitzelte seinen stumpfen Knöchel. Sie fuhr mit den Lippen über die Ruine des oberen Glieds seines Daumens. Hinter ihnen erstarben die Rufe. Über ihnen verschwammen die Lichter hinter den zurückkehrenden Wolken. Sie spielte langsame Musik an seiner Brust, hinter dem Exsoldaten und dem Exingenieur her. Ihre Bewegung zog ihn mit sich. Sie hielt an, um ihm zu sagen: »Du riechst gut.«
»Huh? Yeah, ich glaube, ich stinke«, und duckte sich ängstlich.
»Ich meine es so. Gut. Wie eine Birne, die man in Weinbrand gelegt hat.«
»Das kommt davon, wenn man drei Wochen lang unterwegs ist und kein Bad genommen hat.« Sie rieb ihre Nase in seiner Armbeuge.
Er dachte, daß sie komisch sei. Und mochte es. Und merkte, daß sie komisch war, um es sich leichter zu machen, ihn . . . wer immer er sein mochte, zu mögen, tauchte aus den Gedanken auf und versuchte, nicht zu lächeln. Sie spielte vor sich hin.
Er schlug Notizbuch und Zeitung gegen seinen Schenkel, bis er sich daran erinnerte, daß John, den er nicht mochte, das auch getan hatte und hörte auf.
5
Sieh dich in diesem doppelt beleuchteten Nebel nach Schatten um. Eine dunkle Gemeinschaft in den brennenden Straßen zwischen Landschaft und den schmerzenden Sinnen läßt sterilere Agonien ahnen. Außer Kontrolle geratene Wolken lassen die Erwartung schal werden, kochen die Vorahnung ab. Was könnte irgend jemand von uns mit zwei Monden anfangen? Das Rätsel der Ordnung ist leergelaufen, und ich lebe in einer wunderlosen Stadt, in der alles passieren kann. Ich brauche keine weiteren Andeutungen von Unordnung. Es muß mehr als das sein! Such's im Rauch, wo das Feuer herkommt! Lies aus den Kohlen weder Erfolg noch Verzweiflung. Diese Kante der Langeweile ist genauso
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