Dhalgren
Augenbrauen waren mit Silber abgedeckt.
Die Musik - er erkannte es durch die Störgeräusche - war irgend etwas von Dylan, von einer Art Melachrino-Streichern gespielt. Der »Junge« war zwischen fünfzehn und abgemagerten fünfunddreißig. Um seinen Hals hingen glitzernde Enden von Prismen, Linsen, Spiegeln.
Er schob sich in den Waschraum, während ein riesiger Mann in Uniformjacke herauskam und an seinem Reißverschluß fummelte. Er verriegelte die Tür und legte das Notizbuch auf den gesprungenen Porzellan-Wasserbehälter (die Zeitung hatte er auf dem Tisch liegengelassen), sah in den Spiegel und sagte: »Herrjesus!«
Bei voll aufgedrehtem Hahn tröpfelte das Wasser nur in das birnenförmige Becken. Er zog Papierhandtücher rasselnd aus dem Behälter und weichte sie ein. Minuten später war das Bek-ken rot vor Blut; das gesprenkelte Linoleum war bespritzt; aber sein Gesicht war befreit vom geronnenen und frischen Blut.
Er saß auf der Toilette, hatte die Hose auf die Waden fallen gelassen, drehte einen münzengroßen Spiegel auf seinem Bauch um und blickte mit einem Auge auf den Gesichtsausschnitt mit dem Auge darin. An seinen Wimpern hingen Wassertröpfchen.
Er zwinkerte.
Sein Auge öffnete sich und sah den Tropfen, rosa von aufgelöstem Blut, am Glas vorbeifallen und sich auf seinem tauben Daumen ausbreiten.
Er ließ ihn fallen, nahm das Notizbuch vom Wasserkasten, drehte es auf seinen Schenkeln um und nahm den Stift heraus. Die Spirale drückte sich in seine Haut:
»Murielle«
Er war sich über die Schreibweise nicht sicher, schrieb aber weiter:
»Durch Blut ihre klaren Augen gesehen . . .« Systematisch durchstrich er »klaren«, bis es ein dunkelblauer Balken war. Er runzelte die Stirn, las noch einmal, schrieb wieder »klaren« und schrieb weiter. Er unterbrach lange genug, um zu urinieren und las dann noch einmal. Er schüttelte den Kopf, beugte sich nach vorn. Sein Penis schwang gegen das kalte Porzellan. Deshalb rutschte er auf dem Sitz zurück; schrieb die ganze Zeile noch einmal.
Einmal blickte er hoch: Eine Kerze vor dem übermalten Fenster tropfte.
»Erinnerte mich«, schrieb er, »bei Kerzenlicht, was ich bei Mondschein gesehen hatte . . .« runzelte die Stirn und ersetzte es durch einen vollständig neuen Gedanken.
»Heh«, auf das Pochen an der Tür hin blickte er hoch. »Ist alles in Ordnung, Kid?«
»Tak?«
»Brauchst du Hilfe? Lanya hat mich geschickt um nachzusehen, ob du vielleicht hineingefallen bist. Alles okay?«
»Alles okay. Bin gleich wieder da.« »Oh. Gut. Okay.«
Er sah wieder auf die Seite. Plötzlich kritzelte er unten auf die Seite: »Sie lassen mich verdammt nicht fertig werden«, hielt inne, lachte, schloß das Buch und steckte den Schreiber zurück in die Tasche.
Er beugte sich nach vorn auf die Knie und erleichterte sich: Die Länge und das Aufspritzen überraschten ihn. Es war kein Klopapier da.
Also nahm er ein nasses Handtuch.
Licht beschien die Hüften des Tänzers, sein wirres Haar, das schweißnasse Gesicht. Aber die Leute hatten ihre Unterhaltung wiederaufgenommen.
Er bahnte sich hindurch und blickte auf den Käfig.
»Also, jetzt siehst du besser aus«, sagte Lanya.
Jack sagte: »Ich habe dir und deiner Freundin ein Bier geholt. Für dich auch eins, weißt du, weil ich nicht wollte, daß du denkst . . . nun, du weißt schon.«
»Oh«, sagte er. »Klar. Danke.«
»Ich meine, Tak läßt mich schon den ganzen Abend nichts bezahlen. Deshalb habe ich gedacht, ich hole für dich und deine Freundin ein Bier.«
Er nickte, setzte sich: »Danke.«
»Yeah, danke«, sagte Lanya.
»Sie ist sehr nett.«
Lanya gab ihm einen kurzen Nun-du-kannst-nichts-dafür-Blick über den Tisch und trank.
Die Musik brach mittendrin zu einem Brummen ab; die Leute klatschten.
Jack nickte zum Käfig hin, in dem der Tänzer nach Luft schnappte. »Ich schwöre, in so einem Laden bin ich noch nie gewesen. Es ist wirklich ein bißchen viel, weißt du? Gibt es hier in Bellona viele solcher Kneipen?«
»Teddy's ist die einzige weit und breit«, sagte Tak. »Gibt's in der ganzen westlichen Welt nicht noch einmal. Es war vorher eine ordentliche Bar. Man kann es kaum glauben, wieviel besser es geworden ist.«
»Ziemlich unglaublich. Ganz bestimmt«, wiederholte Jack. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«
Lanya nahm noch einen Schluck aus ihrer Flasche »Du wirst aber daran nicht sterben, oder?« Sie lächelte.
Er prostete ihr mit seiner Flasche zu und leerte sie zu
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