Dhalgren
Stirn. »Ehrlich, du . . . starrst so grimmig; es macht mich unheimlich nervös.« Aber sie sah nicht weg.
»Du magst es nur, weil du mich kennst.« Auch das, um zu sehen, wie das Gefühl dabei war.
»Möglich.«
Er hielt das Notizbuch sehr fest und fühlte sich betäubt.
»Ich glaube« - sie rückte ein Stück von ihm ab - »ob es jemand mag oder nicht mag, tut dir in keiner Weise gut.«
»Yeah. Du hast nur Angst, daß sie es nicht tun.«
»Aber ich fand's gut.« Sie wollte noch mehr sagen, unterließ es aber. War das ein Achselzucken? Schließlich blickte sie unter den nach vorn hängenden Armen hervor. »Danke.«
»Yeah«, sagte er fast erleichtert. Und dann, als fiele es ihm plötzlich ein: »Danke dir.«
Sie blickte zurück. Verwirrung mit einem anderen Ausdruck vermischt breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
»Danke dir«, wiederholte er leer, während seine Handflächen, die das Notizbuch an seine Denimschenkel preßten, nasser wurden. »Danke dir.«
Der andere Ausdruck war Verständnis.
Seine Hände bewegten sich wie Krebse aufeinander zu, krabbelten um ihn herum und ergriffen seine Schultern. Seine Knie stießen hoch (das Notizbuch fiel zwischen sie), stießen an seine Ellenbogen. Eine plötzliche Welle . . . war es Freude? »Ich habe einen Job!« Sein Körper zersprang; er schnellte wie ein Adler auf den Rücken. »Heh, ich habe einen Job!«
»Huh?«
»Während du noch geschlafen hast.« Freude rann ihm in Hände und Füße. »Die Frau in der Bar gestern abend; sie kam mit ihrem Hund vorbei und gab mir diesen Job.«
»Madame Brown? Mach keine Scherze. Was für ein Job?« Sie rollte sich neben ihn auf den Bauch.
»Bei dieser Familie. Heißen Richards.« Er wand sich, weil die Kette an seinem Gesäß nagte. Oder war es die Spirale vom Notizbuch? »Schutt wegräumen.«
»Schutt gibt es sicher genug« - sie griff hinunter und zerrte das Buch unter seiner Hüfte hervor - »in Bellona, der weggeräumt werden muß.« Sie legte es auf seinen Kopf und stützte das Kinn auf die Arme. »Eine Perle,« sann sie, »hat Katherine Mansfield mal in San Francisco in einem Brief an Murray geschrieben, wie Leben in einer Perle. Wegen dieses Nebels.« Über den Blättern
leuchtete der Himmel dunkel. »Siehst du.« Ihr Kopf fiel zur Seite. »Ich bin auch literarisch.«
»Ich glaube nicht« - stirnrunzelnd - »daß ich jemals von Katherine . . .? gehört habe.«
»Mansfield.« Dann hob sie den Kopf: »Der Bezug in deiner Sache da auf das Mallarme-Gedicht . . .« Sie blickte stirnrunzelnd ins Gras, begann, mit den Fingern zu klopfen. »Oh, was war es doch gleich . . .!«
Er beobachtete, wie sie versuchte, sich an etwas zu erinnern und wunderte sich über den Vorgang.
»Le Cantique de Saint Jean! War das Absicht?«
»Ich habe Mallarme gelesen . . .« Er runzelte die Stirn. »Aber nur in dieser portugiesischen Übersetzung von Editora Civilizascao. . . . Nein, ich glaube nicht, daß es mit Absicht war, glaube ich nicht . . .«
»Portugiesisch?« sagte sie. »Sieh mal einer an.« Dann sagte sie: »Es ist wie eine Perle. Ich meine hier in Bellona. Obwohl das alles Rauch ist und kein Nebel.«
Er sagte: »Fünf Dollar die Stunde.«
Sie sagte: »Hm?«
»Werden sie mir zahlen. Bei dem Job.«
»Was willst du denn mit fünf Dollar die Stunde?« fragte sie ernsthaft.
Was so albern für ihn klang, daß er beschloß, sie nicht durch eine Antwort zu beleidigen.
»Die Labry Apartments«, fuhr er fort. »Vierhundert. Sechsunddreißigste Straße, Apartment 17-E. Ich soll heute nachmittag dahin gehen.« Er drehte sich zu ihr um. »Wenn ich zurück bin, könnten wir wieder zusammen . . . vielleicht in die Bar gehen?«
Einen Moment lang beobachtete sie ihn. »Du willst wieder mit mir zusammen sein, oder?« Dann lächelte sie. »Schön.«
»Ich frage mich, ob es spät genug ist, um vielleicht schon loszugehen?«
»Lieb mich noch mal, bevor du gehst.«
Er kratzte sich im Gesicht, streckte sich aus. »Nee. Ich habe dich die letzten beiden Male angemacht.« Er entspannte sich und blickte sie an. »Jetzt bist du an der Reihe.«
Ihr Stirnrunzeln verschwand, bevor sie sich lachend an seine Brust lehnte. Er berührte ihr Gesicht.
Dann wieder das Brauenrunzeln. »Du hast dich gewaschen!« Sie sah überrascht aus.
Er bohrte seinen Kopf in sie hinein. »Nicht sehr viel. Drüben auf dem Klo. Ich hab mir ein bißchen Wasser über Gesicht und Hände gespritzt. Schlimm?«
»Nein. Ich selber wasche mich sehr gründlich, zweimal -
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