Dhalgren
ein anderer Typ wäre.« Sie lächelte. Ihr Haar war Pfeffer und Salz, frisch gemacht, einfach. »Wie lange können Sie arbeiten?«
»So lange Sie es wünschen, denke ich.«
»Ich meine, wie viele Stunden? Heute?«
»Für den Rest des Tages, wenn Sie wollen. Es ist schon ziemlich spät. Morgen werde ich früher kommen.«
»Ich denke an das Licht.«
»Licht?«
»In den meisten Wohnungen brennt das Licht nicht.«
»Oh, yeah. Dann arbeite ich, bis es dunkel wird. Wie spät ist es jetzt?«
»Die Uhren - « Mrs. Richards hob die Arme. »Die Uhren gehen nicht mehr.«
»Sie haben keinen Strom?«
»Nein, bis auf eine Steckdose in der Küche. Für den Eisschrank, und auch der geht manchmal aus.«
»Im Flur ist ein Licht. Und der Fahrstuhl geht auch. Man kann es hierherlegen.«
Mrs. Richards blickte fragend.
»Eine Verlängerungsschnur. Vom Licht im Flur in Ihre Wohnung. Dann hätten Sie Strom.«
»Oh.« Die Falten auf ihrer Stirn vertieften sich. »Aber dann hätten wir kein Licht im Flur, oder? Wir brauchen dort Licht. Das wäre einfach zu - «
»Sie nehmen einen Doppelstecker. In eine Steckdose kommt die Glühbirne, in die andere eine Leitung, die unter der Tür herläuft.«
»Vom Flur?«
»Yeah, das meine ich.«
»Oh.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber das Flurlicht kommt nicht auf unsere Verbrauchsrechnung. Die Verwaltung wird das nicht sehr gern haben. Sie sind hier ziemlich genau. Wissen Sie, das Licht im Flur läuft über einen anderen« - ihre Hände bewegten sich nervös - »Zähler. Ich glaube nicht, daß wir das tun können. Wenn es jemand sieht . . .« Sie lachte. »Oh, nein, so ist es auch nicht.«
»Oh«, sagte er. »Sie ziehen schließlich um. Deshalb müssen Sie ja auch nicht. Die Wohnung, in die Sie ziehen, hat Strom?«
»Das ist eines der Dinge, die wir herausfinden müssen. Ich weiß es noch nicht.« Ihre Hände verschränkten sich wieder in ihrem Schoß. »Oh, ich hoffe es aber.«
»Ich werde arbeiten, bis es dunkel ist, Mrs. Richards.«
»Sehr gut. Ja, das ist gut so. Können Sie wenigstens heute anfangen?«
»Vielleicht fragen Sie Ihren Mann wegen der Verlängerungsschnur. Ich kann es für Sie machen. Ich war mal in der Branche.«
»Wirklich?«
»Yeah. Ich kann das machen. Kein Problem.«
»Ich werde . . .« Sie zupfte an ihrer Bluse, merkte es, glättete die Stelle. »Aber ich glaube, die Verwaltung würde etwas dagegen haben. Ja, das glaube ich wirklich.«
Die Klingel schellte zweimal.
»Das ist Bobby!« Das war June.
»Frag wer dort ist!«
»Wer ist da?«
Gedämpft: »Ich.«
Die Kette rasselte.
»Okay. Ich habe dein - «
June unterbrach ihn: »Weißt du, sie sind zurückgekommen und haben es wieder gemacht. Du hast niemanden gesehen, in den Fluren, oder?«
»Nein. . .?«Bobbys Frage richtete sich auf das Wohnzimmer. , »Wer ist das?«
Bobby (vierzehn) hielt einen Laib Brot zu fest. Um sein linkes Handgelenk lagen als breites Armband ein halbes Dutzend Schlingen der optischen Kette.
»Komm herein Bobby. Das ist der junge Mann, den Edna Brown uns geschickt hat.«
»Toll.« Bobby kam herein. Er war blond wie seine Schwester, aber während ihre Züge Schüchternheit verrieten, ließen seine scharfgeschnittene Nase und der vollere Mund auf Aggressivität schließen. Unter dem Arm hielt er eine Zeitung. »Leben Sie einfach auf der Straße, huh?«
Er nickte.
»Möchten Sie unser Badezimmer benutzen oder sich irgendwie waschen?«
»Bobby!« Das war June.
»Kann sein«, sagte er.
Mrs. Richards lachte. »Ist das nicht ziemlich schwierig und auch gefährlich?«
»Man . . . muß schon die Augen offenhalten.« Das klang unverbindlich genug.
»Wir gehen mal hinauf und sehen uns um.«
»Ich möchte bleiben und lesen . . .«
»Wir gehen zusammen. Alle zusammen.«
»Oh, Bobby«, sagte June. »Komm schon.«
Bobby stakste durch den Raum, warf die Zeitung auf den Couchtisch, sagte »okay«, und ging zur Küche. »Ich muß erst das Brot weglegen.«
»Dann leg es weg«, sagte Mrs. Richards. »Dann gehen wir.«
»Ich konnte nur einen halben Laib finden!« rief Bobby.
»Hast du nach einem ganzen gefragt?« rief Mrs. Richards. »Ich bin sicher, daß, wenn du höflich nach einem ganzen gefragt hättest, hätten sie versucht, einen aufzutreiben für - «
»Es war niemand im Laden.«
»Oh, Bobby-«
»Ich hab' das Geld dagelassen.«
»Aber du hättest warten sollen, bis jemand kommt. Stell' dir vor dich hat jemand hinausgehen sehen. Sie konnten nicht wissen, daß du —
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