Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
Vom Netzwerk:
manchmal sogar dreimal am Tag. Es hat mich nur überrascht.«
    Er fuhr mit den Fingern über ihre Oberlippe, an der Nase entlang, über die Wange - wie Trolle, dachte er, als er ihnen zusah. Ihre grünen Augen blinzelten.
    »Ist nicht gerade etwas«, sagte er, »für das ich jemals berühmt gewesen wäre. Keine Sorge.«
    Als wenn sie seinen Geruch vergessen hätte und ihn sich gern zurückrufen wollte, senkte sie ihren Mund auf ihn. Ihre Zungen löschten jedes Geräusch außer ihrem Atem aus, und sie liebten sich zum . . . fünften Mal? Fünften Mal.
     
    *
     
    Das Glas in der Tür auf der rechten Seite war unversehrt.
    Er öffnete das linke: Ein Schattengitter fuhr über den Boden, den er zunächst für goldädrigen blauen Marmor hielt. Sein nackter Fuß sagte ihm, daß er aus Plastik sei. Es sah wirklich wie Stein aus . . .
    Die Wand war mit geflochtenem orangefarbenem Stroh . . . nein, die Handfläche verriet ihm, daß auch das aus Plastik war.
    Dreißig Fuß weiter in der Halle hingen - was er schließlich als Lichtanlage identifizierte - ein Dutzend grauer Kuppeln wie Eier von Dinosauriern in unterschiedlichen Höhen.
    Aus einem vermutlich ehemaligen Wasserbecken, das mit blauen Steinsplittern angefüllt war, hob sich eine häßliche, dünne Eisenskulptur. Als er näher herankam, merkte er, daß es gar keine Skulptur war, sondern ein junger, abgestorbener Baum.
    Er zog die Schultern zusammen und eilte weiter.
    Die 'stroh'bedeckte Trennwand hinter ihm verdeckte wahrscheinlich die Postkästen. Neugierig ging er herum.
    Verbogene Metalltüren standen offen - wie drei Reihen, die plötzlich aufgeschwungen waren (der Gedanke überfiel ihn mit unbestimmter Spontaneität), wie ausgeraubte Gräber. Schlösser hingen an einer Schraube oder fehlten vollständig. Er ging an ihnen vorbei hielt an dem einen oder anderen kaum leserlichen Namensschild, mit den Überresten von Smith, Franklin, Howard . . .  
    An drittletzter Stelle in der obersten Reihe war ein einziger Briefkasten, der entweder repariert oder niemals zerstört gewesen war: Richards, 17-E - weiße Buchstaben in dem kleinen schwarzen Fenster. Hinter dem Gitter ragte die blau-weiß-rote Kante eines Luftpostbriefes hervor.
    Er kam am anderen Ende der Wand wieder hervor und eilte durch die Halle.
    Eine Fahrstuhltür stand halb offen vor dem Schacht, aus dem Wind pfiff. Die Tür hatte ein Holzfurnier, aber ein abgerissenes Stück in Kniehöhe verriet, daß sie aus schwarzem Metall war. Während er niederkauerte und am Rand der Vertiefung herumfingerte, klickte es; die Tür zum zweiten Fahrstuhl neben ihm schob sich auf.
    Er stand auf und trat zurück.
    In der anderen Kabine gab es kein Licht.
    Dann glitt auch die Tür vor dem offenen Schacht wie aus Sympathie ganz auf.
    Er hielt den Atem an, umklammerte das Notizbuch und ging in die Kabine.
    »17« ließ seine Fingerspitze orange aufleuchten. Die Tür schloß sich. Die Nummer war das einzige Licht. Er fuhr aufwärts. Nicht, daß es richtige Angst war; alle Gefühle befanden sich in Auflösung. Aber alles, das wußte er zwischen flachen Atemstößen, könnte es phantastisch aussehen lassen.
    »17« ging aus: Die Tür öffnete sich in Dämmerlicht.
    An einer Seite des beigefarbenen Flurs stand eine Apartmenttür weit offen; graues Licht sickerte hindurch. An der anderen Seite funktionierte in der Deckenkuppel zumindest eine Glühbirne.
    Er ging an 17-B, 17-C und 17-D vorbei, näherte sich der Glühlampe.
    Nach dem dritten Schellen (und ungefähr einer Minute jeweils dazwischen) beschloß er, zu gehen: Und zwar über die Treppen, weil der stockfinstere Aufzug zu gespenstisch war.
    »Hallo . . .? Wer ist da . . .?
    »Madame - Mrs. Brown hat mich geschickt.«
    »Oh.« Es rasselte. Die Tür öffnete sich an einer drei Zentimeter langen Kette. Eine Frau, so um die Fünfzig, mit beschattetem Haar und hellen Augen blickte ihn über dem Metall an. »Sie sind der junge Mann, den sie zum Helfen schicken wollte?«
    »Yeah.«
    »Oh«, wiederholte sie, »oh«, schloß die Tür und öffnete sie dieses Mal ohne Kette. »Oh.«
    Er trat hinein auf einen grünen Teppich. Sie trat einen Schritt zurück, um ihn zu betrachten; er begann, sich unwohl und schmutzig zu fühlen, und nervös.
    »Edna hat Ihnen gesagt, was wir suchen?«
    »Aufräumen«, sagte er. »Sie haben Schutt wegzuräumen?«
    »Und Möbel - «
    Zweimaliges Pochen, und das laute Lachen zweier Männer leitete über zu dem einer Frau.
    Beide blickten sie auf das Linoleum

Weitere Kostenlose Bücher