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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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über die Evakuierungsprozedur bekommen - mitten im letzten war die Leitung tot. Schließlich beschlossen wir, obwohl es mitten in der Nacht war, selber zum Krankenhaus zu gehen - meine Freundin und ich. Damals wohnte meine Freundin bei mir. Als wir dort anlangten - zu Fuß natürlich -, es war einfach unglaublich. Man rechnet ja in so einem unterbesetzten Laden nachts nicht mit Ärzten. Aber es gab überhaupt keine ordentliche Nachtwache, keine Wärter mehr, nichts. Sie waren einfach gegangen!« Ihre Hand zuckte mit einer nüchternen Geste hoch. »Auf den offenen Nachtstationen waren alle Patienten auf den Beinen. Wir ließen alle heraus, wo es ging. Gott sei dank fand meine Freundin die Schlüssel zu diesem unglaublichen Kellerflügel, der zum ersten Mal vor fünfzehn Jahren geschlossen worden war und dann regelmäßig alle paar Jahre wieder geöffnet oder geschlossen wurde - ohne daß man irgend etwas instand gesetzt hatte. Durch die Fenster konnte man die Feuer sehen. Einige der Patienten wollten dableiben. Einige konnten nicht fort - viele lagen benommen von Medikamenten in ihren Betten. Andere kreischten durch die Flure. Und wenn diese Anrufe über die Evakuierung etwas anderes bewirkt haben, als das letzte Restchen Personal fortzujagen, habe ich davon nichts bemerkt. Für einige Räume konnten wir einfach die Schlüssel nicht finden. Meine Freundin fand ein Brecheisen, und drei der Patienten halfen uns, die Türen einzureißen. - Oh ja, habe ich schon erzählt, wie einer versuchte, mich zu erwürgen? Er kam einfach daher in seinem Schlafanzug, als ich über den zweiten Stock lief, und begann, mich zu würgen.
    Nicht sehr schlimm und nur zwei oder drei Minuten lang, bis mir ein paar andere Patienten halfen, ihn loszuwerden - offensichtlich braucht es doch eine gehörige Portion Energie, jemanden zu erwürgen, der das nicht will. Ich wollte das nicht, das können Sie mir glauben. Ich erholte mich gerade im Dienstbüro davon, als sie hiermit reinkam.« Er hörte, wie Madame Brown mit den Ketten am Hals spielte; es war zu dunkel, um ihr Glitzern zu sehen. »Sie sagte, sie hätte sie gefunden und schlang sie mir um den Hals. Man sah, wie sie im Feuerschein, der durch die Fenster drang, funkelten.« Madame Brown machte eine Pause. »Aber das habe ich Ihnen erzählt . . .?« Sie seufzte. »Ich habe Ihnen auch erzählt, daß sie dann gegangen ist . . . meine Freundin. In einige der Räume konnten wir einfach nicht hinein. Wir haben es versucht - ich, die anderen Patienten, alle! Und die Patienten drinnen haben sich ebenso angestrengt. Doch dann brach das Feuer im Gebäude selber aus. Der Rauch war so dicht, man konnte kaum -« Sie zog den Atem ein. Zuckte sie mit den Schultern? »Wir mußten gehen. Und, wie ich schon sagte, meine Freundin war da auch schon weg.«
    Jetzt konnte er Madame Brown neben sich sehen.
    Sie ging weiter und dachte entweder über die Vergangenheit nach oder über das Straßenpflaster.
    Muriel sprang vor ihnen her, bellte, drehte sich um, rannte weg.
    »Ich bin noch einmal zurückgegangen«, sagte sie schließlich. »Am nächsten Morgen. Ich will nie wieder dorthin. Ich möchte etwas anderes tun . . . Ich bin schließlich Psychologin! Der Sozialdienst war eh' nie meine Stärke. Ich weiß nicht, ob die Patienten, die rausgekommen sind, schließlich evakuiert wurden oder nicht. Ich nehme an, sie wurden, doch sicher bin ich nicht.« Sie stöhnte kurz. »Vielleicht hängt es damit zusammen, daß ich selber nicht gehen mag.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Kidd nach einer Weile. »Es klingt für mich so, als wären Sie und Ihre Freundin sehr mutig gewesen.«
    Wieder seufzte Madame Brown auf.
    »Es ist nur . . .«Er fühlte sich unbehaglich, doch es war ein anderes Gefühl als an der Tafel. » - als Sie beim Essen darüber
    redeten, hörte es sich so an, als arbeiteten Sie immer noch dort. Deshalb habe ich gefragt.«
    »Oh, das war einfach so dahergeredet. Um Mary zu unterhalten. Wenn man sich mit ihr Mühe gibt, ist sie eine ganz nette Frau, mit einem ganz netten Gemüt - selbst wenn das Alltagsgesicht ein wenig schief sitzt. Ich glaube, einige Leute können das nur schwer erkennen.«
    »Yeah«, nickte er. »Das denke ich wohl.« Einen halben Block voraus war Muriel nur noch ein dunkler Fleck. »Ich dachte -« er scheuerte die Ferse am Rinnstein. »- Hey, passen Sie auf . . .!« Er stolperte. »Umh. Ich dachte, sie hätten gesagt, sie hätten drei Kinder?«
    »Haben sie auch.«
    Sie überquerten die

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