Dhalgren
umspannte sein Glas mit beiden Händen -, »wird mit Sicherheit veröffentlicht. Das macht mich sehr vorsichtig, was ich zu Papier bringe. Wie sorgfältig sind Sie?«
Die erste Bierflasche war leer. »Ich weiß es nicht.« Er trank aus der zweiten. »Ich bin noch nicht so lange Lyriker«, gestand er lächelnd. »Erst ein paar Tage. Warum sind Sie hergekommen?«
»Bitte?« Leichte Überraschung klang durch, aber nicht viel.
»Ich wette, Sie kennen eine Menge Schriftsteller, ich meine berühmte. Und Leute aus der Regierung. Warum sind Sie hergekommen?«
»Oh, Bellona hat sich entwickelt ... ein gewisses Underground-Image, oder? Man liest nie etwas darüber, hört aber manches. Es gibt eben Städte, für die man sterben muß.« Mit theatralischem Flüstern: »Ich hoffe, die hier gehört nicht dazu.« Beim Lachen baten seine Augen um Verzeihen.
Kidd verzieh und lachte ebenfalls.
»Ich weiß es wirklich nicht. Es war so eine spontane Entscheidung«, fuhr Newboy fort. »Ich weiß auch nicht recht, wie ich es angestellt habe. Sicher habe ich nicht erwartet, jemanden wie Roger zu treffen. Diese Schlagzeile war schon eine Überraschung. Aber Bellona steckt voller Überraschungen.«
»Werden Sie darüber schreiben?«
Newboy drehte sein Glas. »Nein, das glaube ich nicht.« Wieder lächelte er. »Sie können sicher sein.«
»Aber Sie kennen doch sicher eine Menge berühmter Leute, möchte ich wetten. Wenn man nur die Einleitungen, Vorworte und Buchkritiken liest, bekommt man den Eindruck, daß jeder jeden kennt. Man stellt sich das so vor, als ob alle diese Leute zusammenhockten und verrückt würden - oder sich mögen, wahrscheinlich miteinander bumsen . . .«
»Literarische Intrigen? Oh, sicher. Das ist ziemlich kompliziert, qualvoll, beleidigend, gemein - und durch und durch faszinierend. Das einzige Vergnügen, das ich dem Schreiben vorziehe, ist Klatsch.«
Er runzelte die Stirn. »Jemand anders hat mir etwas über Klatsch erzählt. Jeder hier scheint darauf abzufahren.« Lanya war immer noch nicht da. Wieder blickte er zu Newboy. »Sie kennen Ihren Freund Mr. Calkins.«
»Es ist eine Kleinstadt. Ich wollte nur, Paul Fenster hätte sich ein bißchen weniger rigide verhalten.« Er wies auf das Notizbuch. »Ich würde gern einige Ihrer Gedichte sehen.«
»Huh?«
»Ich lese gern Gedichte, besonders von Leuten, die ich kenne. Lassen Sie mich gleich vorweg sagen, daß ich nicht einmal versuchen werde, zu sagen, ob ich sie gut oder schlecht finde. Aber Sie sind nett, etwas kantig. Ich würde gern sehen, was Sie geschrieben haben.«
»Oh, ich habe noch nicht viel. Ich schreibe erst . . . nun, noch nicht so lange.«
»Dann brauche ich auch nicht lange, sie zu lesen - wenn Sie nichts dagegen haben, sie mir zu zeigen, irgendwann, wenn Ihnen danach zumute ist.«
»Oh, sicher. Aber Sie müssen mir sagen, wenn sie gut sind.«
»Ich bezweifle, daß ich das kann.«
»Klar können Sie das. Ich meine, ich würde schon darauf hören, was Sie sagen. Das wäre gut für mich.«
»Darf ich Ihnen eine Geschichte erzählen?«
Kidd nickte und fand sein heftiges Mißtrauen interessant.
Newboy winkte dem Barmann wegen Nachschub. »Vor einigen Jahren in London, als ich viel jünger war als nur die Jahre, die dazwischenliegen, zwinkerte mir mein Gastgeber in Hampstead durch sein Sherryglas zu und fragte, ob ich gern einen amerikanischen Schriftsteller, der gerade dort sei, kennenlernen wollte. An diesem Nachmittag war ich mit dem Redakteur eines vom Arts Council finanzierten Magazins verabredet. Mein Gastgeber, der betreffende Schriftsteller und ich schrieben alle für dieses Magazin. Ich mag Schriftsteller; mich reizen die Persönlichkeiten. Jetzt kann ich in dieser abgeklärten Weise darüber reden, weil ich mittlerweile so wenig arbeite, daß ich mich nur in einem von zwölf Monaten als Schriftsteller bezeichnen dürfte, obzwar ich den Anspruch erhebe, Künstler zu sein. In guten Jahren. Ich war jedenfalls einverstanden. Man rief den amerikanischen Schriftsteller an und lud ihn für den Abend ein. Bevor ich ausging, nahm ich das Magazin, in dem ein Artikel von ihm stand - eine Reisebeschreibung über Mexiko -, und begann, mich auf die Unterhaltung am Abend vorzubereiten. Die Welt ist klein: Seit zwei Jahren begegnete mir immer wieder der Name dieses jungen Mannes. Mehrere Male wurde sein Name mit meinem in einem Atemzug genannt. Doch ich hatte noch keine Zeile von ihm gelesen. Ich goß mir noch einen Sherry ein und widmete mich
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