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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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Schlaf nötig.«
    Madame Brown legte die Leinenserviette auf den Tisch. (Kidd merkte, daß er seine überhaupt nicht benutzt hatte; sie lag säuberlich gefaltet neben seinem fleckigen Platz, mit einem lila Tropfen neben dem Monogramm 'r'.
    »Ich bin auch müde. Kidd, wenn Sie eine Minute warten können, würde ich gerne mit Ihnen gehen. Gibt es noch Kaffee, Mary?«
    »Oh . . . ich habe noch keinen aufgesetzt.«
    »Dann können wir ja gleich gehen. Kidd möchte fort. Und ich bin auch nicht gern später unterwegs, als es unbedingt sein muß.«
    Unten lachte jemand. Das Lachen anderer kam dazu, bis plötzlich ein paar Schläge folgten, als würden schwere Möbel übereinandergeworfen: Schreibtisch, Bettgestell, Kommode.
    Kidd stand auf - dieses Mal, ohne das Tischtuch wegzureißen. Sein Arm tat immer noch weh. »Mr. Richards, wollen Sie mich jetzt bezahlen, oder wenn ich fertig bin?« Als er das herausgebracht hatte, fühlte er sich plötzlich erschöpft.
    Mr. Richards lehnte sich zurück. Seine Fäuste staken in der Jackettasche; die Beine des Stuhls hoben sich vorn an. »Ich könnte mir vorstellen, daß Sie jetzt ein bißchen nötig haben.« Eine Hand fuhr heraus. Hielt eine gefaltete Note. Er hatte die Frage vorhergesehen. »Hier, bitte schön.«
    »Ich habe dreieinhalb Stunden gearbeitet. Vielleicht auch vier. Aber nehmen wir drei, da ich gerade angefangen bin.« Er nahm das dunkle Rechteck. Es war eine einzelne Fünfdollarnote, viermal gefaltet.
    Kidd blickte Mr. Richards fragend an, dann Madame Brown, die sich über ihren Stuhl beugte und mit den Fingern nach Muriel schnippte.
    Mr. Richards lächelte und wippte mit beiden Händen in den Taschen.
    Kidd meinte, etwas müsse noch gesagt werden, doch es war zu schwierig, zu überlegen, was es war. »Um . . . danke.« Er steckte das Geld in die Hosentasche, blickte über den Tisch zu June, doch sie hatte den Raum verlassen. »Gute Nacht, Mrs. Richards.« Er ging über den grünen Teppich zur Tür.
    Hinter ihm, als er Schloß für Schloß öffnete - es waren sehr viele - sagte Madame Brown: »Gute Nacht, Arthur. Mary, danke für das Essen. June . . .?« rief sie, »ich gehe, Kleines. Bis bald. Gute Nacht Bobby. Muriel, komm, Schätzchen. Hier bin ich, Kidd. Gute Nacht zusammen.«
     
    *
     
    Der Rauch war so dick, daß er sich fragte, ob es Milchglas war und er sich nur fälschlich an durchsichtiges Glas erinnerte -
    »Nun« - Madame Brown stieß die gesprungene Tür auf »wie finden Sie die Richards nach Ihrem ersten Arbeitstag?«
    »Ich denke nichts.« Kidd streckte sich in der dichten Dunkelheit. »Ich bin nur ein Beobachter.«
    »Damit wollen Sie wohl sagen, daß Sie sich eine Menge gedacht haben, es aber schwierig oder unnötig finden, es auszudrücken?« Muriel hetzte über den Betongehweg. »Sie sind verblüffend.«
    »Ich wollte nur«, sagte Kidd, »er hätte mir den ganzen Tag bezahlt. Klar, wenn sie mir zu essen geben und so -« Noch ein Wolkenkratzer ragte vor ihnen auf, Reihe für Reihe dunkle Fenster. - »fünf Dollar ist 'ne ganze Menge.«
    Rauch quoll über die Fassade. Natürlich hatte er über sie nachgedacht. Er dachte an all seine Gedanken bei der Arbeit in der oberen Wohnung. Und - wieder hatte sie Recht - war noch zu keinem zusammenfassenden Schluß gekommen.
    Madame Brown ging langsam, hielt die Hände auf dem Rücken und blickte aufs Pflaster.
    Kidd hielt das Notizbuch vor sich (fast hätte er es vergessen; Madame Brown hatte es ihm zur Tür gebracht), blickte hoch und konnte absolut nichts erkennen. »Arbeiten Sie immer noch in diesem Krankenhaus?«
    »Bitte?«
    »Die Nervenheilanstalt, über die Sie geredet haben?« Das Gehen machte ihn ein bißchen wacher. »Mit den Kindern. Gehen Sie immer noch jeden Tag dorthin?«
    »Nein.«
    »Oh.«
    Als nichts weiter von ihr kam, sagte er:
    »Ich war in der Nervenheilanstalt. Ein Jahr lang. Ich habe mich gerade gefragt, was mit dem« - er sah die Fassaden um sich her, deren Ruinen hinter Dunkel und Rauch verschwanden; hier konnte er den Rauch riechen - »dem, wo Sie gearbeitet haben, passiert ist.«
    »Wahrscheinlich möchten Sie es gar nicht wissen«, antwortete sie, nachdem sie ein paar Schritte schweigend weitergegangen war. »Besonders, wenn Sie mal in einem waren. Es war nicht sehr schön.« Muriel kam zurück und entfernte sich wieder. »Ich war nämlich in der Sozialabteilung von diesem Krankenhaus - das haben Sie sicher mitbekommen. Herrgott, ich habe zu Hause in zwei Stunden zweiundzwanzig Anrufe

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