Dhalgren
Beim Wischen schien er mit dem Schienbein gegen seine Zunge zu stolpern, stieß sich die Knie an den Zähnen, den Kopf gegen den nassen Gaumen, griff nach dem Zäpfchen, um sich wieder aufzurichten. Wieder tauchte er den Aufnehmer ins Wasser, die Augen brannten, und er fuhr sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Die verdeckte Kette kratzte seine Wange. Energien suchten in seinem Körper nach Schwachstellen. Der Rhythmus und das Klatschen entlockten seinem Hirn Worte. »Ich lebe im Mund . . .« hatte er gemurmelt, immer und immer wieder. Als er es merkte, hörte er auf. Danach fuhr er heftiger über den Boden.
»Sie . . .?«
Er blinzelte June in der Tür zu. ». . . haben nicht . . .?« Er grunzte fragend.
»Sie sagten, Sie würden mir ein . . . Bild von . . .« Ihre Knöchel fuhren gewohnheitsmäßig an den Mund.
»Huh? Ich dachte, Sie wollten nicht . . .?«
Ihre Augen klapperten banal und wild. Dann rannte sie weg.
»Hey, Sie. Tut mir leid! Ich dachte . . .«
Dachte daran, hinter ihr herzulaufen, schnalzte mit der Zunge, schüttelte den Kopf, ließ es sein und seufzte.
Er wechselte in der Küche das Wasser und trocknete dann den Boden so gut es ging.
Er arbeitete sehr methodisch. Ab und zu entfuhr ihm ein angeekelter Ton oder er schüttelte den Kopf. Schließlich wischte er hinter seinen eigenen Fußabdrücken her. Was nutzlos war, man macht immer nur neue.
Er balancierte auf einem Fuß im Eingang, fummelte an der
Sandale. Leder und nasse Haut. Er konnte sie genausogut fortwerfen. Doch der Riemen glitt in die Schnalle. Er nahm sein Notizbuch und klackte zum Aufzug.
Eine halb Minute später öffnete sich die Tür (aus der Tür daneben, wo er nicht hinsehen wollte, zischte Wind). Er ging hinein. Der Gedanke, wie er sich später erinnerte, schien von nirgendwo herzukommen.
Er drückte nicht auf die Siebzehn.
»16« leuchtete unter seinem Finger in der Dunkelheit auf.
4
Keine Klingel an der Tür. Tuch oder Papier steckte in dem Loch.
Mit aufeinandergebissenen Zähnen klopfte er. Biß fester zu, als sich innen etwas rührte.
Die Tür flog auf. »Yeah?« Heiße Schmiere lärmte.
Hinter dem Mann im Unterhemd trat ein Mädchen nach vorn. Ihre Züge wurden im Licht der Sturmlampe an der Wand zur Silhouette.
»Was willst'n?« fragte der Mann. »Willste was zu essen? Komm rein. Was willste denn?«
»Nein, ich wollte nur . . .«Er grinste und ging hinein. »Ich wollte nur wissen, wer hier wohnt.«
»Wenn du essen willst, hier bitte.« Das Mädchen hinter der Schulter des Mannes wich so weit zurück, daß Licht auf einen Wangenknochen fiel.
An der Wand schliefen Leute in eisernen Bettgestellen. Auf Matratzen am Boden saßen Männer. Das Laternenlicht warf harte Schatten auf den Boden.
Hinter Kidd fiel die Tür zu. Als sie zuknallte, blickte nur einer hoch.
An der Wand lehnte ein Motorrad mit vergrößertem Tank. In einer Ecke stand, mit roter Farbe bespritzt und mit verdrehtem Kopf, eine Schaufensterpuppe. Um den Hals hingen Schlaufen einer schmierigen Kette (nicht so eine, wie Kidd sie unter dem Hemd trug).
»Ich habe für Leute oben gearbeitet. Habe mich einfach gefragt, wer hier unten wohl war.« Der Raum roch schal. Der Küchengeruch brachte ihn kurz zu jenem schmutzigen Imbißstand am Hafen von Caracas zurück, wo er nicht einmal seine Cola austrinken konnte. »Deshalb bin ich heruntergekommen.«
Irgendwo hörte Wasser auf, zu fließen. Naß, blond und mit tropfenden Haaren kam ein nackter Junge in den Raum und hob schwarze Jeans auf. Glitzernd balancierte er auf einem Bein. Er blickte zu Kidd und grinste. Dann fuhr sein Fuß, entzündet, mit Hammerzehen, mit einer Hundekette dreimal um den Knöchel gewunden, in die Hose.
»Die Leute oben?« Der Mann schüttelte lachend den Kopf. »Da muß doch jemand sein. All dieser Scheiß, der darunter kommt. Was tun sie die ganze Zeit miteinander? Willst du ein bißchen Gras? Smokey, hol unserm Freund hier Gras. Mir auch.« Das Mädchen ging weg. »Du magst doch Gras, Mann, oder?«
Kidd zuckte die Achseln. »Klar.«
»Hey, yeah. Ich hab mir gedacht, daß du so aussiehst.« Er grinste und hakte die Daumen in den Jeansbund. Auf den Vorderfingern war Haß und Liebe eintätowiert. Zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand stand eine große, rote 13. »Die Geräusche, die man von oben gehört hat, gestern abend. Hat er sie verprügelt?«
»Huh?« fragte Kidd. »Ich dachte, ihr macht all diesen verdammten Lärm.«
Jemand anders sagte: »Oh,
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