DHAMPIR - Dunkelland
kam, insbesondere dann, wenn ein übereifriges Haus versuchte, seinen Prinzen auf dem Thron zu halten, anstatt die Macht abzugeben.
Das landlose Haus Väränj bildete eine bemerkenswerte Ausnahme, und die meisten anderen Häuser erkannten kaum seinen adligen Status an. Als Nachkommen berittener Händler in den Diensten der ersten Invasoren dieser Region dienten die Angehörigen dieses Hauses als königliche Wächter und Stadtsoldaten für den aktuellen Großfürsten. Die Väränj hatten nicht die Möglichkeit, selbst einen Kandidaten für den Thron zu benennen, und sie bekamen auch keine eigene Provinz. Sie fungierten als Friedenshüter, überwachten den Staat und beendeten gelegentlich Konflikte zwischen den Häusern, die in offene Gewalt auszuarten drohten.
Als Welstiel und Chane näher kamen, boten sich ihnen drei Möglichkeiten. Die Straße teilte sich vor ihnen: Die eine Abzweigung führte in einem Bogen um die Stadt, die andere zu den Anlegestellen des Hafens.
Geradeaus ging es direkt zum großen Bogen des Westtors von Kéonsk. Soldaten in leichter Rüstung hielten dort Wache. Sie alle trugen die hellroten Waffenröcke der Väränj, gekennzeichnet mit der schwarzen Silhouette eines sich aufbäumenden Hengstes.
Chane zügelte sein Pferd, und Welstiel folgte verwirrt seinem Beispiel.
»Was ist?«
»Müssen wir den Soldaten einen Grund dafür nennen, warum wir hierhergekommen sind?«, fragte er. »Oder lassen sie uns auch so spät in der Nacht einfach passieren?«
»Ich bin seit vielen Jahren nicht mehr hier gewesen«, erwiderte Welstiel. »Derzeit sitzt Prinz Rodêk von den Äntes auf dem Thron, und wir müssen mit seinem Hauptberater Baron Cezar Buscan reden. Mein Vater diente den Äntes während unserer letzten Tage. Ich glaube, wir können uns als Kuriere ausgeben, die einen Bericht bringen. Unser Erscheinungsbild macht deutlich, dass wir keine gewöhnlichen Leute sind. Aber sprich nich t – du hast einen zu deutlichen Akzent.«
Chane nickte, und sie ritten wieder los, zum Tor.
Ein junger Wächter mit kahl geschorenem Kopf und ohne Helm hob die Hand, damit sie anhielte n – eine beiläufige Geste, mehr nicht. Es war nach Mitternacht, doch dies war eine große Stadt. Man konnte also damit rechnen, dass Leute spät eintrafen und früh abreisten. Große, von Drahtgeflecht umgebene Fackeln erleuchteten beide Seiten des Torbogens.
»Was ist euer Begehr?«, fragte der Wächter.
Welstiel tischte ihm die Geschichte von dem Bericht auf, den er für den Baron hatte, doch der junge Wächter schüttelte den Kopf.
»Ihr seid willkommen in der Stadt, aber Baron Buscan empfängt niemanden, den er nicht ausdrücklich zu sich bestellt hat. Es sind bereits Adlige von den verschiedenen Häusern hier und versuchen, seine Aufmerksamkeit zu erlangen.«
»Was ist mit Prinz Rodêk?«, fragte Welstiel. »Er empfängt doch sicher Abgesandte seines eigenen Hauses, oder?«
»Er ist nicht da.« Der Wächter senkte die Stimme. »Er kehrt nach Enêmûsk und zur Äntes-Feste zurück. Es heißt, es geht um eine Familienangelegenheit. Nur Baron Buscan befindet sich im Kastell, und er gewährt keine Audienzen.«
Die Auskunft verwunderte Welstiel. Rodêk war nicht in der Stadt, und Buscan lehnte es sogar ab, Gesandte seines eigenen Hauses zu empfangen. Es ergab keinen Sinn.
Der Väränj-Wächter ließ sie passieren.
Sie ritten durchs Tor und erreichten den kopfsteingepflasterten Marktplatz. Dort war es still; Planen bedeckten Verkaufsstände und Karren. Am nächsten Morgen, wenn Händler ihre Waren den Bürgern von Kéonsk feilboten, würde hier wieder reges Treiben herrschen.
»Suchen wir uns ein Gasthaus?«, fragte Chane.
»Nein, wir müssen noch heute Nacht zu Buscan. Dies kann nicht warten.«
»Er schläft sicher schon.«
»Dann wecken wir ihn. Er wird mich empfangen, auch wenn der Wächter anderer Meinung ist.«
Sie ließen den Marktplatz hinter sich und kamen durch ein Tavernenviertel, wo die Nacht nicht so still war. Kahnfahrer, Dirnen und Spieler blieben lange auf. Welstiel bemerkte, wie Chane zu einer schlanken Frau in einem Eingang sah. Sie lächelte, hob die Hand und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander, um darauf hinzudeuten, dass ihre Gesellschaft Geld kostete. Welstiel war dankbar dafür, dass sein Begleiter in der vergangenen Nacht das Blut des Jungen getrunken
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