DHAMPIR - Dunkelland
Schreibtisch, und links davon erstreckten sich Bücherregale. Auf einem Beistelltisch bei den Sesseln lag ein Federkiel neben einem Tintenfass.
In den Sesseln saßen ein Mann und eine Frau. Chane vermutete, dass es sich bei dem Mann um Baron Cezar Buscan handelte. Er war sehr groß und dick und trug einen dunkelblauen Morgenmantel, der sich über dem Bauch spannte. Sein dichter schwarzer Bart reichte bis auf die Brust, doch der Kopf war kahl bis auf einen schwarzen Kranz in Höhe der Schläfen. Das rötliche Gesicht erinnerte Chane an die zu viel Brandy trinkenden reichen Freunde seines Vaters.
Die Frau bildete einen so starken Kontrast zu dem Baron, dass sie Chanes Wachsamkeit weckte. Als Lebender und auch als Untoter war er vielen schönen Frauen begegnet, doch neben Buscan saß die faszinierendste Schönheit, die er jemals gesehen hatte. Sie stand auf, um die beiden Besucher zu begrüßen.
Sie war weder hager noch üppig, zeigte aber deutliche Kurven unter dem seidenen kaffeebraunen Gewand, das für dieses kalte Land zu dünn zu sein schie n – vom Schnitt her ähnelte es einem Umhang, und mehrere Messingschnallen hielten es vorn zusammen. Eine scharlachrote Kordel war um die Taille geschlungen. Die ersten beiden Schnallen waren geöffnet, wodurch sich ein Ausschnitt bildete, der bis zu den Brüsten reichte. Ein tränenförmiger Roteisenstein hing an einer Halskette aus Messing und ruhte zwischen den Brustansätzen. Das dunkelrote Haar war nicht im Stil einer Hofdame frisiert, sondern hing in tausend spiralförmigen Locken über die Schultern. Grüne Augen glänzten unter der glatten Stirn und musterten Chane.
Die Frau lächelte und strich dabei mit einem Finger über ihren Ausschnitt.
Lord Buscan stemmte sich schnaufend hoch. Er war älter, als Chane vermutet hatte.
»Welstiel?«, fragte Buscan.
Der Baron zögerte lange und starrte Chanes Begleiter an, als traute er seinen Augen nicht. Chane blickte kurz zur Seite und begriff, was Buscan so zu schaffen machte. Welstiels letzter Aufenthalt in diesem Land lag viele Jahre zurück, und während dieser Zeit war der Baron gealtert. Welstiel hingegen sah vermutlich genauso aus wie damals.
»Es ist lange her, wir haben dich für tot gehalten«, sagte Buscan. »Du siehs t … gut aus.« Er deutete auf die Frau, und Stolz erklang in seiner Stimme, als er hinzufügte: »Osceline, meine Gemahlin.«
Die Frau lächelte erneut und zeigte dabei perfekt geformte weiße Zähne. Sie neigte ein wenig den Kopf, ohne ihren Blick von den Besuchern abzuwenden.
Welstiel trat näher, nahm den Federkiel vom kleinen Tisch und betrachtete ihn.
»Ein Wächter am Stadttor sagte mir, dass Prinz Rodêk nicht hier ist und dass du keine anderen Adligen empfängst.«
Buscan zuckte die massigen Schultern. »Unsichere Zeiten erfordern zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen. Seit wann interessierst du dich für unsere Staatsangelegenheiten?«
»Es ist spät«, warf Osceline ein. »Vielleicht könntest du uns sagen, warum du gekommen bist?«
Ihre Stimme war klar und hell wie die Töne einer Laute. Chane beobachtete den langsamen Puls an ihrem blassen Hals.
Welstiel legte den Federkiel wieder auf den Tisch. »Ich sammle Aufzeichnungen, die meine Familie betreffen. Was unsere Zeit in Diensten der Äntes betrifft, ist dies der richtige Ort, um mit der Suche zu beginnen, da dein Haus derzeit regiert. Wenn du entsprechende Unterlagen hast, so bitte ich dich, sie mir auszuhändigen.«
»Das ist alles?« Buscan wirkte erleichtert. »Oh, aber ich fürchte, ich kann dir nicht helfen. Es gibt keine derartigen Aufzeichnungen.«
Welstiel legte unter seinem Umhang die Hände auf den Rücken. Er sah dem Baron in die Augen, und es bestand kein Zweifel daran, dass ihm Buscans Antwort nicht genügte.
»Alle unsere Aufzeichnungen sind weniger als fünfzehn Winter alt«, erklärte der Baron. »Wir haben versucht, ein zentrales Archiv für alle Dokumente einzurichten. Als Prinz Demetri von den Serbóê seine Amtszeit beendete, kam es zu einem Aufstand der Mäghyär. Ein Viertel der Stadt wurde in Schutt und Asche gelegt, und auch das Gerichtsgebäude fiel Flammen zum Opfer. Die darin lagernden Aufzeichnungen verbrannten.«
Chane konnte nicht erkennen, ob diese Neuigkeiten Welstiel erfreuten oder ihn beunruhigten. Osceline ging mit langsamen Schritten zu dem glänzenden Tisch unter dem Gemälde.
»Bist du sicher, dass nichts übrig ist?«, fragte Welstiel.
Der Baron schüttelte den Kopf. »Wenn du nur
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