Dhampir - Götterjagd
vorletzten Nacht hatte sie weder gegessen noch geschlafen, wie auch die anderen. Vielleicht konnte sie nicht mehr klar denken. Möglicherweise ging die Kälte, die sich in ihr ausbreitete, auf Erschöpfung zurück.
Plötzlich wurde die Welt vor ihren Augen heller.
Sofort rannen ihr Tränen über die Wangen. Ihr Mund begann zu schmerzen, als sie weiter oben in der Rinne einen hohen, breiten Riss bemerkte.
Leesil trat an ihre Seite und machte große Augen. Magiere wusste, dass ihre eigenen Augen schwarz geworden waren.
»Was ist?«, flüsterte er und folgte ihrem Blick durch die Rinne.
Osha war weitergeklettert und verharrte jetzt, blieb in der Öffnung der Rinne stehen. Sgäile trat an Magieres andere Seite.
Es zeigten sich keine Abdrücke im Schnee, aber das lag daran, dass der Sturm alle Spuren verwischt hatte. Osha drehte sich voller Kummer zu ihnen um.
»Es ist Blut«, raunte Magiere Leesil zu. »Ich kann es riechen.«
Hkuan’duv saß im Zelt, als der Morgen dämmerte.
»Greismasg’äh?«, fragte Dänvârfij zögernd.
Sie hockte vor der Öffnung des Zelts, schaute aber nicht auf. Er versuchte noch immer zu verstehen, was in der Nacht geschehen war. Der plötzliche Tod von Kurhkâge und A’harhk’nis und der Umstand, dass er ihre Leichen einfach zurückgelassen hatte, lasteten schwer auf ihm.
»Hkuan’duv!«, beharrte Dänvârfij. »Sgäilsheilleaches Gruppe ist unterwegs, hat ihr Lager aber nicht abgebrochen. Vielleicht suchen sie noch immer nach der kleinen Menschenfrau. Wir müssen Gewissheit erlangen.«
Er atmete tief durch, und Dänvârfij wich zur Seite, als er aus dem Zelt kroch.
Nach seiner Rückkehr und dem Bericht über die Ereignisse hatte Dänvârfij Wache gehalten, während er ruhte. Wie Hkuan’duv verdrängte sie die Trauer um die beiden toten Kastenbrüder und blieb auf ihre Mission konzentriert.
Hkuan’duv hatte allein im Zeit gelegen und diese Zeit für sich gebraucht, obwohl sie ihm keine neuen Erkenntnisse brachte. Die weiße Frau hatte zwei Angehörige seiner Kaste getötet und ihn außer Gefecht gesetzt, und zwar so schnell, dass er nicht ein einziges Mal zuschlagen konnte. Die zarte Statur der Unbekannten täuschte über ihre enorme Kraft hinweg.
Hkuan’duv stand auf und trat in die kalte weiße Welt. Als der Morgen graute, hatte sich der Wind gelegt, und es fiel kein Schnee mehr. Er strich sich über sein kurzes Haar, rückte das Gesichtstuch zurecht und zog sich die Kapuze über den Kopf. Wortlos schlichen Dänvârfij und er durch den Schnee und beobachteten Sgäilsheilleaches leeres Lager.
»Wann sind sie aufgebrochen?«, fragte Hkuan’duv nach einer Weile.
»Beim ersten Licht.«
Er fragte sich, ob sie warten oder den Spuren folgen sollten. »Vermutlich suchen sie die kleine Menschenfrau und den Majay-hì.«
»Lebten sie noch, als du entkommen bist?«, fragte Dänvârfij.
»Ja, aber der Majay-hì griff die weiße Frau an. Er kann nicht lange überlebt haben, und die kleine Frau dürfte kurz nach ihm gestorben sein. Wir müssen nur warten, bis Sgäilsheilleache ihre Leichen entdeckt und zum Lager zurückkehrt.«
Dänvârfij machte ihm keine Vorwürfe, weil er ihre Kastenbrüder zurückgelassen hatte, aber trotzdem empfand Hkuan’duv dies als Schande. Er bedauerte sehr, dass er Kurhkâge und A’harhk’nis liegen gelassen hatte, ohne die Ahnen zu bitten, sich ihrer Seelen anzunehmen.
»Sie waren tot und du noch am Leben«, sagte Dänvârfij. »An deiner Stelle hätte ich mich ebenso verhalten.«
»Deine Anteilnahme bringt uns bei unserer Mission nicht weiter«, erwiderte er.
Größere Sorgen plagten ihn. Zwei andere Angehörige seiner Kaste suchten dort, wo er der weißen Frau begegnet war. Sgäilsheilleache und Osha wussten nicht, welche Gefahr ihnen drohte. Alles in ihm drängte danach, sie zu warnen, aber das konnte er nicht, ohne seine Präsenz zu verraten.
»Die Erfüllung unserer Mission wird jetzt schwerer«, sagte Dänvârfij. »A’harhk’nis kannte sich in der Wildnis aus, aber das gilt auch für dich. Vielleicht sollten wir sie bei ihrer Suche beobachten.«
»Noch nicht«, erwiderte Hkuan’duv. »Wir warten. Ob sie die Leichen finden oder nicht, sie müssen zurückkehren. Es ist sinnlos, wenn wir uns in Gefahr begeben.«
Dänvârfij rückte näher an Hkuan’duv, damit sie sich gegenseitig wärmen konnten.
Wynn rührte sich, und Erinnerungen an die vergangene Nacht kehrten zurück: die ermordeten Anmaglâhk, der wie tot in den Schnee
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