Dhampir - Götterjagd
sinkende Chap und die weiße Frau. Erschrocken öffnete sie die Augen und setzte sich auf.
Ein fahles orangefarbenes Glühen fiel auf alte Steinwände, aber Wynn konnte sich nicht daran erinnern, wo sie war.
Ich bin hier.
Sie entdeckte Chap auf der anderen Seite des Raum s – er blickte durch den Eingang hinaus. Reste von Angeln wiesen darauf hin, dass es dort einst eine Tür gegeben hatte.
Das orangefarbene Licht stammte von einer Kohlenpfanne, die auf einem Dreibein ruhte. Sie musste später hereingebracht worden sein, denn sie hatte sich noch nicht in diesem Raum befunden, als Wynn zu Boden gesunken war.
Die Pfanne enthielt keine Kohlen, sondern faustgroße Kristalle, die wie Kohlen glühten. Mehr Wärme als Licht ging von ihnen au s – die Temperatur im Zimmer war bereits über den Gefrierpunkt gestiegen.
»Wie lange habe ich geschlafen?«, fragte die junge Weise.
Chap hielt den Blick nach draußen gerichtet. Der Tag hat begonnen. Erste Sonnenstrahlen fallen in den Flur.
Leichte Übelkeit erfasste Wynn, als sie Chaps Worte mental wahrnahm. Schmerz pulsierte in ihrem rechten Bein, aber sie fühlte wieder die Zehen. Sie kroch dorthin, wo Chap Wache hielt, erinnerte sich an durchsichtige Wölfe und Raben, an wogende Schatten.
»Sind sie noch da draußen?«, fragte sie.
Sie erscheinen und verschwinden, aber sie sind immer da.
»Was sind sie?«, flüsterte Wynn.
Chap schwieg einen langen Moment. Untote. Aber ich habe noch nie von solchen Tieren gehört, ganz zu schweigen von den Geschöpfen, die nur Schatten sind und doch mehr.
Wynn kniete und blickte ebenfalls in den Flur hinaus. Zuerst fiel ihr nichts auf, doch dann bemerkte sie etwas Dunkles, das sich im Flur bewegte.
»Wir sind Gefangene«, flüsterte sie. »Aber warum lässt uns die weiße Frau am Leben?«
Chap antwortete nicht, und Wynn fragte sich, wo die weiße Untote sein mochte. Sie holte ihren Kaltlampen-Kristall hervor und rieb ihn.
Der Raum, in dem sie sich befanden, maß etwa zwölf mal vierzehn Schritte und wies außer dem Eingang keine anderen Öffnungen auf. An zahlreichen Stellen der Steinwände zeigten sich tiefe Kratzer. Ein alter Tisch an der Rückwand war halb zur Seite gekippt, und was einst auf ihm gelegen hatte, war auf den Boden gefallen. Eiserne Halterungen für Regale ragten aus der rechten Wand, doch die zerbrochenen Reste des untersten Bretts lagen verstreut zwischen spröde und brüchig gewordenen Pergamenten und Büchern.
»Wo sind wir?«
Chap knurrte in der türlosen Öffnung, gab aber keine Antwort.
»Gestern Nach t … «, sagte die junge Weise. »Du hast die Suche nach mir nicht aufgegeben.«
Chap drehte kurz den Kopf und leckte ihr die Hand.
Wynn war durstig, doch es gab nirgends etwas zu essen oder zu trinken. Dann bemerkte sie zwei kleine Flaschen bei den Gegenständen in der Nähe des gekippten Tisches. Sie trat darauf zu, bückte sich und nahm eine von ihnen, musste jedoch feststellen, dass sie einst Tinte enthalten hatte. Die Stiele von Federkielen lagen in dem Durcheinander; ihre Federn waren längst verrottet.
»Wir sind in einem alten Arbeitszimmer«, sagte Wynn und sah sich die Regale an.
Einige Bücher waren so alt, dass Schimmel die Buchdeckel zerfressen hatte. Wynn wagte es nicht, sie zu berühren, aus Angst, sie könnten zerbrechen.
Ein anderes Regal enthielt Pergamentrollen und Tierhäute. Wynn verstand genug von alten Archiven, um nicht der Versuchung nachzugeben, irgendetwas anzufasse n – die Schriftrollen hätten zu Staub zerfallen können. In einem weiteren Regal bemerkte sie Baumrindenstücke mit Zeichen auf der Innenseite.
Andere Werke bestanden aus Dutzenden von Blättern, zusammengehalten von dünnen Platten aus gehärtetem Leder oder Holz. Ein Bündel steckte zwischen zwei Eisenplatten jeweils in der Größe eines Spielbretts.
»Cha p … Komm her und sieh dir dies an!«
Wirf zuerst einen Blick auf die Wände!
Wynn sah über die Schulte r – Chap hatte sich nicht umgedreht. Warum sollte sie einen Blick auf die alten zerkratzten Mauern werfen? Sie trat näher und leuchtete mit ihrem Kristall.
Die Kratzer in den Wänden waren Zeichen.
Das Licht des Kristalls fiel auf zahlreiche, im Lauf von vielen Jahren verblichene Schriftzeichen. Teile von Worten und Sätzen, begleitet von sonderbaren Symbolen, bedeckten die Wände. Alles bildete ein wildes Durcheinander; manchmal waren Worte sogar übereinander geschrieben. Wynn versuchte, einem langen Satz zu folgen.
Zumindest glaubte
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