Dhampir - Götterjagd
aber sie wusste es trotzdem. Der Drang, der weißen Untoten zu folgen, war stärker als alles andere.
Li’kän erreichte die große Bibliothek, und Magiere schüttelte die Hand der Untoten ab. Die weiße Frau lief weiter, und als Magiere zu ihr aufschloss, stand sie bereits vor der Steintür. Li’kän stemmte eine schmale Schulter unter den Eisenbalken, dicht neben einer der steinernen Halterungen, griff mit den Händen danach und wartete.
Magiere schob ihr Falchion in die Scheide und ging ein Stück entfernt ebenfalls am Balken in Position.
Li’kän spannte die Muskeln, und Magiere weckte die Dhampir in ihrem Innern, griff auf ihre Kraft zurück.
Der eiserne Balken war enorm schwer, aber bei Li’kän kam er langsam nach oben und löste sich schließlich ganz aus der Halterung. Schulter und Hände am Balken, drückte Magiere mit ganzer Kraft und versuchte, sich mit den Beinen nach oben zu stemmen. Ganz langsam bewegte sich der Eisenbalken, und Magiere war schweißgebadet, als sie ihn schließlich aus der Halterung gehoben hatte. Sie wich einen Schritt zurück und ließ den Balken gleichzeitig mit Li’kän fallen. Ein Donnern hallte durch die Bibliothek, als er auf den Boden prallte.
Li’kän griff nach der Halterung und begann zu ziehen. Magiere versuchte, ihrem Beispiel zu folgen, doch ihre Seite der Tür bewegte sich kaum. Als die Lücke zwischen den beiden Türflügeln groß genug war, hielt die Untote inne und schlüpfte hindurch.
Ein seltsames Gefühl erfasste Magiere, als sie durch die schmale Öffnung trat.
Es war ein Empfinden von Leichtigkeit nach einer schweren Las t – sie glaubte plötzlich, nie wieder müde oder hungrig zu werden. Schmerz und Erschöpfung nach fast einem anstrengenden Mond in den Bergen fielen von ihr ab.
Als sie wieder zu Sinnen kam, kauerte Li’kän in einem dunklen, nach unten führenden Tunnel mit Wänden aus behauenem Felsgestein. Das Gesicht der Untoten wirkte wie erschlafft.
Während Magiere Erleichterung fühlte, schien Li’kän voller Kummer zu sein. Die weiße Untote zögerte, richtete sich auf, wich einen Schritt zurück und schüttelte langsam den Kopf. Dann erbebte ihr Körper, und wie von etwas gezogen trat sie durch den Tunnel.
Magiere folgte ihr, sah einmal zurück und fragte sich, ob es nicht besser wäre, die Tür hinter ihnen zu schließen. Aber Li’kän setzte den Weg fort.
Weit unten im Tunnel sah Magiere einen orangefarbenen Lichtschein, und in diesem Licht bemerkte sie zu beiden Seiten des Tunnels seltsame Vertiefungen.
Sie ging weiter, und die Dhampir in ihr erweiterte ihre Wahrnehmung.
In jeder Nische kauerte eine Gestalt. Magiere trat näher und betrachtete eine von ihnen.
In Jahrhunderten dunkel gewordene Knochen verschmolzen fast mit dem Gestein, doch nach der Verwesung des Fleisches vor langer Zeit war das Skelett nicht in sich zusammengefallen. Die Gestalt ruhte auf den Knien und hatte die Unterarme darum geschlungen, fast in Embryonalstellung. Die Schädeldecke war zu breit für einen Menschen und befand sich zwischen den Resten der Hände, die Stirn auf dem Boden.
Der Unbekannte wirkte wie ein Betender, der geduldig auf die Rückkehr seines Herrn wartet.
Magiere sah sich auch die anderen Nischen und die Gestalten darin an. Nur eine von ihnen schien einst ein Mensch gewesen sein; andere machten einen sehr fremdartigen Eindruck.
Einige der kauernden Toten waren klein, doch Magiere fand auch einen sehr großen, mit langer Wirbelsäule und dicken Fingerknochen, die in Krallen endeten. Ein Kamm aus spitzen Knochen ragte aus dem gesenktem Schädel.
Die beiden Nischenreihen reichten den Tunnel hinab, bis hin zum fernen Glühen.
Li’kän ging weiter, ohne den Gestalten in den Nischen Beachtung zu schenken, als wäre es nur recht und billig, dass sie sich in ihrer Präsenz zusammenkauerten und den Kopf senkten.
Magiere folgte ihr in die Tiefe, vorbei an den stummen Wächtern, die ihre Blicke von Li’kän abzuwenden schienen.
Leesil schlug mit seinen Klingen nach der dunkelhaarigen Untoten und vereitelte ihre Versuche, an ihm vorbeizugelangen. Sie stach immer wieder mit dem Messer zu, fauchte und wich ihm aus. Spitze Vampirzähne zeigten sich in ihrem offenen Mund. Hinter ihr griff Chap einen grauhaarigen Untoten und einen der jüngeren Mönche an.
Und dann eilte Chane herbei und wollte an der Frau vorbeigelangen.
Leesil verlagerte sein Gewicht und stieß die rechte Klinge nach vorn. Chane blieb abrupt stehen und wich aus, aber die
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