Dhampir - Götterjagd
etwas sagen oder Einwände erheben zu wollen, aber Brot’an hob den Zeigefinger und sprach leise.
» Chein’âs?«, flüsterte Osha ein wenig zu laut.
» Tosajij!«, zischte Sgäile.
Der jüngere Elf senkte verlegen den Kopf, und der Blick seiner bernsteinfarbenen Augen huschte zu Leesil, der schwankte, als er Gepäckstücke aufzuheben versuchte.
Wynn dachte über das von Osha geflüsterte Wort nach und fragte sich, warum ihm Sgäile Stille befohlen hatte.
Chein’â s … die »Brennenden«?
Brot’anklettertehinab,undWynnfielein,waserallesfürsieundihreReisegefährtengetanhatte.Siewusste,dasssieihnmanchmalverärgerthatte,abererwarihrBeschützerundRatgebergewese n – wasihnvermutlichmehrgekostethatte,alssichdiejungeWeisevorstellenkonnte.
»Brot’an!«, rief sie, und dann verließ sie der Mut.
Brot’an zögerte und kehrte noch einmal aufs Deck zurück. Er kam näher, bis er vor Wynn aufragte, und fasste sie sanft an den Schultern.
»Leb wohl, Kleine!«, sagte er, beugte sich vor und fügte leise hinzu: »Hör nicht auf, Fragen zu stellen.«
Wynn nickte, und ihre Augen brannten plötzlich.
Brot’an wandte sich von ihr ab und blieb vor Magiere stehen. Ein Schatten von Trauer strich über ihr bleiches Gesicht. Auch sie hatte seinen weisen Rat in diesem fremden Land zu schätzen gewusst. Leesil hingege n …
Er blieb beim Gepäck hocken und richtete sich nicht auf. Zu viel war zwischen ihm und dem Meister-Anmaglâhk geschehen, als dass er diesem Mann jemals vertrauen konnte. Brot’an trat durch die Lücke in der Seitenwand, und kurze Zeit später war er verschwunden.
Sgäile richtete einen strengen Blick auf Osha und zog ihn in Richtung Achterdeck.
Wynn wäre ihnen gern gefolgt, um zu hören, worüber sie sprachen, aber das hätte gegen die Regeln der Höflichkeit verstoßen. Sie wollte Magiere und Leesil mit dem Gepäck helfen, als sie Chaps Fehlen bemerkte. Erstaunt drehte sie sich um und hielt nach ihm Ausschau.
Er stand auf einer Kiste an der Seitenwand und sah zum Ufer. Wynn näherte sich von hinten und strich ihm über den Rücken. Sie wusste, warum er jeweils am frühen Morgen und abends in den Wald gelaufen war.
Dort draußen jenseits der Stadt hatte Chap seine letzten Tage mit Seerose verbracht, der weißen Majay-hì.
Er hatte sich an dem Tag von ihr verabschiedet, als sie in Ghoivne Ajhâjhe eingetroffen waren, aber die unerwarteten Verzögerungen hatten ihm Gelegenheit gegeben, die Weiße wiederzusehen. Seeroses Rudel hatte sich auf den Heimweg gemacht, doch sie war geblieben, um bei Chap zu sein. Die weiße Majay-hì fürchtete die Stadt, und deshalb war Chap in den Wald gelaufen, wann immer sich ihm Gelegenheit bot.
»Es tut mir leid, dass du sie verlassen musst«, sagte Wynn.
Sie wollte nicht kommen.
»Ich weiß.«
Um Wynn herum herrschte rege Betriebsamkeit, als die Besatzungsmitglieder das Schiff fürs Auslaufen bereit machten. Nur eine junge Frau blieb untätig, beobachtete Wynn und Chap. Sie trug zu große Stiefel und hatte einen dicken Zopf, der ihr über die eine Schulter hing. Als Wynn sie ansah, drehte sie sich abrupt um, lief zum Vorderschiff und geriet außer Sicht.
Der Wind blähte die Segel, und langsam wandte sich das Schiff dem offenen Meer zu. Wynn glaubte, ein sonderbares, rhythmisches Summen zu hören, das durchs Deck unter ihren Füßen kam. Chap jaulte leise, den Blick noch immer auf die Küste gerichtet, und für einen Moment war Wynn überwältigt vom Gefühl des Verlustes.
Es gab zahlreiche Gründe für diese neue Reise, aber sie ließen so viel zurück.
Hkuan’duv stand auf dem Deck seines Schiffes und beobachtete, wie der Segler mit den Menschen an Bord den Hafen verließ. Er wartete bis zum Einbruch der Dunkelheit.
Von allen Anweisungen, die ihm der Älteste Vater gegeben hatte, beunruhigte ihn diese am meisten. Sgäilsheilleache und Osha, zwei Mitglieder von Hkuan’duvs Kaste, befanden sich an Bord des Schiffes, dem er folgen sollte, und sie wussten nichts von seiner Präsenz. So etwas hatte es noch nie gegeben.
Er sah zum offenen Meer jenseits des Hafens, und eine schmale Hand griff neben ihm nach der Seitenwand.
»Deine Gedanken drehen sich im Kreis«, erklang eine sanfte Stimme.
Dänvârfij, Schicksalsmusik, sah ihm direkt in die Augen. Ihre Nase war zu lang, die Jochbeine ein wenig zu breit, aber die cremefarbene Haut, wie Tee mit Ziegenmilch, zeigte nicht den geringsten Makel. Sie war Hkuan’duvs letzte Schülerin gewesen und hatte fünf
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