Dhampir - Halbblut
bist du?«
Die Worte kamen nicht aus dem Mund des schmutzigen Untoten, sondern aus dem Wald.
Magiere war dort irgendwo. Erleichterung durchströmte Leesil, doch das Sprechen fiel ihm schwer.
»Hier«, versuchte er zu rufen. »Ich bin hier.«
Rattenjunge gelang es schließlich, den Ast aus der Wunde zu ziehen. Aber er verhielt sich nicht so wie bei jener Gelegenheit, als er den Armbrustbolzen aus seinem Körper gezogen hatte. Er schien kaum mehr Luft zu bekommen, und das Blut tropfte nicht aus der Wunde, sondern floss. Er würgte und ächzte, presste beide Hände auf das Loch in seiner Brust.
»Ich habe dein Herz getroffen, nicht wahr?«, brachte Leesil hervor. »Es ist nicht ganz durchbohrt, aber getroffen. Was passiert, wenn du zu viel Blut verlierst? Sinkst du dann zu Boden, zu schwach, um dich zu bewegen? Bleibst du dann liegen, bis die Sonne aufgeht?«
Rattenjunge zischte und gurgelte und starrte ihn voller Panik an. Leesil hörte Schritte, die sich näherten, und Chaps Knurren. Der Untote wandte sich hinkend zur Flucht.
Rattenjunge verschwand im Wald auf der einen Seite der Lichtung, als Chap auf der anderen erschien. Magiere folgte ihm dichtauf. Trotz seiner Benommenheit spürte Leesil, wie ihm der Hund das Gesicht ableckte, und Magieres Hände tasteten ihn nach Verletzungen ab.
»Hast du Schnittwunden erlitten?«, fragte sie. Als er nicht sofort antwortete, wiederholte sie die Frage lauter. »Hast du Schnittwunden erlitten? Verlierst du Blut?«
»Folge ihm«, flüsterte Leesil. »Schnell.«
»Nein, ich bringe dich nach Hause.«
»Brenden«, sagte er. »Wir müssen ihn warnen.«
Magiere bot ihm keinen Trost an. Tiefer Kummer erklang in ihrer Stimme, als sie erwiderte: »Brenden ist tot.«
DasGebüschwurdedichter,alssichRattenjungedemkleinenMeeresarmnäherte,indemdasalteSchiffaufGrundlag.ErhattekeineSchmerzen,wieSterblichesiefühlten,aberFurchtundErschöpfungineinembisdahinungeahntenAusmaßließenihnnurlangsamvorankommen.ErdachteanRashed,andasSchiffundanHilfe.SeinLebenssaf t – dasBlutdesMädchensmitderhellbraunenHau t – tropfteaufalleBlätterundNesseln,andenenervorbeikam.ErhattekeineVorstellungvonderGrößedesLochsinseinerBrust,aberdieganzeVorderseitedesHemdeswarnass.
Wie? Wie war es dem sterblichen halben Elfen gelungen, ihn erneut zu verletzen?
Rattenjunge stützte sich an den Bäumen ab, als er durch den Wald wankte. Er wollte nur noch zu seiner eigenen Art zurück und dachte nicht mehr an Dinge wie Stolz und Scham.
Durch das dichte Grün um ihn herum erreichte ihn der Geruch von Leben. Verwirrt spannte er die Muskeln, und dann kam ein Reh fast direkt vor ihm aus dem Dickicht. Rattenjunge sah große Augen und einen weißen Schwanz, und der Instinkt ließ ihn handeln. Er sprang und schrie voller Verzweiflung, als er das Tier am Kopf packte und in den Hals biss.
Das Reh trat und zog ihn ein Stück mit sich, aber die Angst vor dem absoluten Tod gab Rattenjunge zusätzliche Kraft. Er klammerte sich mit den Armen fest und zerrte das Reh zu Boden. Es wurde schwächer und erschlaffte immer mehr in seinen Armen. Das Blut von Tieren war nicht annähernd so gut wie das von Menschen. Die Lebensenergie eines Tieres gab ihm weder Euphorie noch Zufriedenheit, bot aber Leben und Heilung. Er ließ das Reh los, als es starb.
Seine Panik legte sich, und die Öffnung in seiner Brust schloss sich genug, um weiteren Blutverlust zu verhindern. Er ließ das Tier mit weit aufgerissenen Augen am Boden liegen und setzte den Weg zum Schiff fort.
Der wahre Tod stand jetzt nicht mehr unmittelbar bevor, und dadurch veränderte sich Rattenjunges geistige Verfassung. Zuvor empfundene Angst und Hoffnung auf Rashed erfüllten ihn jetzt mit Verlegenheit. Untote wählten die Gesellschaft von Artgenossen, weil sie es so wollten, nicht aufgrund von Notwendigkeit.
Die wilde, saubere Lebenskraft des Rehs floss durch ihn, frei von menschlichen Beziehungen und emotionalen Bindungen. Rattenjunge fühlte den Herzschlag des Waldes in seinen Ohren. Wölfe heulten in der Ferne; eine Eule schrie.
Er wurde langsamer, sah auf seine Brust hinab und riss die Reste des Hemdes fort. Zerfetztes Fleisch bot sich seinen Blicken dar. Mit dem Blut eines Sterblichen konnte er die Heilung vervollständigen. Erneut dachte Rattenjunge über die beste Vorgehensweise nach.
Teesha wollte fliehen.
Rashed wollte bleiben und kämpfen.
Ihre Motive wurden klar. Rashed ging es darum, Rache zu üben und dafür zu sorgen, dass Teesha keine Gefahr von der
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