Dhampir - Halbblut
bemerkte dann, dass auch er ein Bad benötigte. »Natürlich nicht.«
»Dann steh auf.«
»Hast du in letzter Zeit einen Blick zum Horizont geworfen?« Leesil gähnte, legte sich ins Gras, bewunderte den hellbraunen, sandigen Boden und den salzigen Geruch in der Luft. »Wir sollten unser Lager aufschlagen. Um deine Taverne kümmern wir uns morgen.«
Magiere seufzte, wirkte traurig und enttäuscht. Leesil verspürte den plötzlichen Wunsch, sie zu trösten, bis ihn die Schmerzen in seinen Füßen daran erinnerten, wie sehr Magiere sie alle angetrieben hatte. Sollte sie schmollen, solange sie wollt e – bis zum Morgen würde Leesil die Straße nicht mehr betreten.
Er beobachtete, wie Magiere übers Meer schaute, bemerkte dabei die klaren Linien ihres Profils vor dem hellen Orange des Himmels. Sie blickte so zum Horizont, als wolle sie den Rand des Wassers mit ihrer Willenskraft zwingen, die Sonne festzuhalten. Langsam senkte sie den Kopf so weit, dass das Haar ihr Gesicht verbarg. Leesil hörte das leise Seufzen, das von Magieres Lippen kam, und er seufzte ebenfalls, laut und übertrieben.
»Auf diese Weise ist es besser. Welchen Sinn hat es, die Verwalter mitten in der Nacht zu wecken?« Er zögerte, wartete auf Bestätigung oder eine scharfe Erwiderung, aber Magiere blieb still. »Vielleicht sieht die Taverne des Nachts trostlos und deprimierend aus. Nein, wir treffen am Mittag ein, wie es sich gehört, und sehen uns alles bei Tageslicht an.«
Magiere blickte kurz zu ihm und nickte. »Ich wollte nu r … etwas zieht mich wie eine Marionette.«
»Sprich nicht wie ein Dichter«, entgegnete Leesil. »Das ist nervig.«
Sie schwieg, und zusammen begannen sie mit der vertrauten Routine, das Lager aufzuschlagen. Chap schnüffelte noch immer, grub im Sand und war ganz offensichtlich froh, nicht mehr auf dem Karren liegen zu müssen.
LeesilsahgelegentlichzuruntergehendenSonne.Vielleichthattensiesichzulangeindergrauen,feuchtenWeltvonStrawinienaufgehalten.EsgabverschiedeneArtenvonFeuchtigkeit,begrifferjetzt.DieeinebestandaussalzigemSprühnebel,dervomMeerkam,begleitetvoneinemablandigenWind,dereinensanfttrocknete.DieanderebescherteeinemKälte,selbstunterDecken,inirgendeinerBerghütte,derenWändeSchimmelansetzten.
»Sehen wir das jeden Abend in Miiska?«, fragte er.
»Was?«
»Den Sonnenuntergan g … Licht, das sich am Horizont ausbreitet, Feuer und Wasser.«
Für einen Moment runzelte Magiere die Stirn, als redete er in einer fremden Sprache. Dann verstand sie, was er meinte, und wandte sich ebenfalls dem Meer zu. »Ich denke, schon.«
Leesil schnaufte. »Ich nehme alles zurück. Du hast keine dichterische Ader.«
»MachdichaufdieSuchenachFeuerholz,dufaulesHalbblut.«
Sie richteten ihr Lager auf der anderen Seite der Straße ein, die sie von der Küste trennte. Eigentlich war das Wasser noch ein ganzes Stück entfernt, aber die Größe des Meeres schuf die Illusion von Nähe. Die letzten Reste des Tageslichts verblassten am Horizont, und dicke, windgebeugte Bäume boten Schutz vor der Abendbrise. Leesil suchte in den Jutebeuteln auf dem Karren nach Äpfeln und Dörrfleisch, als Chap plötzlich zu schnüffeln aufhörte und wachsam die Ohren spitzte. Er sah zum Wald, und aus seiner Kehle kam ein Knurren, wie es Leesil noch nie zuvor gehört hatte.
»Was ist los, Junge?«
Der Hund stand starr wie ein Wolf, der aus der Ferne Beute erspähte. Seine silberblauen Augen schienen die Farbe zu verlieren und wurden grau. Er bleckte andeutungsweise die Zähne.
»Magiere«, sagte Leesil leise.
Sie hatte das Verhalten des Hunds bereits bemerkt, beobachtete ihn und sah zum Wald.
»So war es an dem Abend in Strawinien, am Fluss«, flüsterte sie.
Sie hatten in Strawinien mehrere Nächte an Flüssen verbracht, aber Leesil wusste, was sie meinte. Er zog die Hände vom Karren zurück, schob sie in die Ärmel und tastete nach den Stiletten in den Unterarmfutteralen.
»Wo ist dein Schwert?«, fragte er, den Blick auf die Bäume gerichtet.
»In meiner Hand.«
Rattenjunge öffnete die Augen, und für ein oder zwei Sekunden verwirrten ihn die feuchten Wände der Höhle. Dann erinnerte er sich an seine Mission. Die Jägerin. Es wurde Zeit, in Richtung Miiska zurückzukehren.
Als er hinauskroch in die kühle Nachtluft, genoss er das Gefühl der Freiheit, das ihm das offene Land bot. Dies war eine gute Nacht. Doch ein Teil von ihm vermisste bereits Teesha und die von ihr im Lagerhaus geschaffene Gemütlichkeit. Sie nannte es
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