Dhampir - Seelendieb
in sanften Wellen über die Schultern ihres blauen Kleids, das in der Mitte geschnürt war, aber nicht zu fest. Es geschah erst zum dritten Mal, dass Leesil sie nicht in Hose, Stiefeln und einem ledernen Hemd sah. Soweit er wusste, hatte sie nur dieses eine Kleid, und sie darin zu sehen, war auf fast schmerzhafte Weise angenehm. Er hütete sich zu gaffen, denn sonst hätte sie das Kleid vielleicht aus reiner Boshaftigkeit weggelegt und nie wieder angezogen. Normalerweise war sie ganz Kriegerin, das Falchion an der Hüfte und das schwarze Haar zu einem Zopf zusammengebunden, und auch jener Anblick hatte seinen Reiz. Leesil mochte sie auf die eine Weise ebenso wie auf die andere, doch nur selten bot sich ihm die Möglichkeit, Magiere so zu sehen wie an diesem Abend.
Niemand war an einem Spiel interessiert, und so nahm Leesil die Karten und trat durchs Gedränge im Schankraum zur Theke. Dort schenkte er Magiere ein unschuldiges Lächeln. Sie zögerte kurz und erwiderte es dann.
»Wie in alten Zeiten?«, fragte sie.
»Sie sind nicht so alt«, erwiderte Leesil. »Wir hatten die Taverne noch nicht lange, als sie jemand in einen Aschehaufen verwandelte.«
Ihr finsterer Blick entlockte ihm ein weiteres Lächeln, und diesmal kam es von ganz allein. Eine verärgerte Magiere war, zumindest für den Moment, die wahre Magiere, die mindestens einmal am Tag Grund fand, verstimmt zu sein.
»Ich weiß«, sagte sie, füllte einen Krug mit Bier und stellte ihn für Caleb auf ein Tablett. »Aber wir haben endlich wieder ein Zuhause.«
Melancholie erfasste Leesil. Er wünschte sich, dass die Welt stillstand, dass er die Ewigkeit in einem Augenblick festhalten konnte, um Magiere für immer so zu bewahren, wie sie jetzt war. Die junge Frau ahnte nichts von seiner Wehmut und zog die Brauen zusammen.
»Wir müssen miteinander rede n … später. Die Umstände zwingen uns, viel Geld aufzutreiben. Und ich weiß nicht, wie.«
Leesil war sofort alarmiert. Es geschah nicht zum ersten Mal, dass Magiere etwas für sich behalten hatte, bis sie es schließlich zur Sprache bringen musste. Bei der letzten Gelegenheit hatte sie ihm gebeichtet, insgeheim Geld auf die Seite gelegt zu haben, um diese Taverne zu kaufen.
»Für die Steuern«, fügte Magiere hinzu.
»Welche Steuern?« Leesil hob eine Braue.
»Bei den geschäftlichen Dingen habe ich offenbar nicht an alles gedacht«, sagte Magiere. »Karlin kam heute zu mir, und du warst nicht d a … Ich hatte noch keine Gelegenheit, mit dir darüber zu reden.« Sie verschränkte die Arme und atmete tief durch. »Wir müssen Steuern nachzahlen. Du hast vermutlich nichts gespart, oder?«
Leesil blinzelte und wollte lachen, begriff dann aber, dass sie es ernst meinte. Aus großen Augen sah er sie an und setzte seine beste Unschuldsmiene auf.
»Ist dir wirklich klar, an wen du diese Frage richtest?«
Magiere musterte ihn und presste die Lippen zusammen. Die zornige Magiere war noch eindrucksvoller und irgendwie realer als die verärgerte.
Die Tür schwang auf, und Seeleute kamen herein.
»Es geht los für mich«, sagte Leesil. »Bestimmt wollen sie gleich spielen. Bitte schenk mir Tee ein.«
Früher hatte er abends immer roten D’areeling-Wein getrunken, aber seit zwei Monaten verzichtete er darauf. Er musste einen klaren Kopf und alle seine Sinne beisammen haben, wenn er für Magiere nützlich sein wollte. Sie holte eine Teekanne unter der Theke hervor, wo sie auf einer mit glühenden Kohlen aus dem Kamin gefüllten Eisenschüssel stand, und füllte seinen Becher.
»Wir müssen diese Sache besprechen«, beharrte Magiere und reichte Leesil den Tee. »Dies ist eine ernste Angelegenheit, und wir müssen uns damit befassen. Andernfalls riskieren wir, dies alles zu verlieren.« Sie machte eine Geste, die dem »Seelöwen« galt.
»Die Pflicht ruft«, sagte Leesil. Bevor Magiere noch etwas hinzufügen konnte, wandte er sich von der Theke ab und durchquerte den Schankraum.
Die frühen Gäste waren normalerweise Stadtbewohner, die kamen, um ein Fischgericht zu essen und ein wenig Gesellschaft zu haben. Die spätere Kundschaft bestand überwiegend aus Seeleuten und Wächtern, die trinken und spielen wollten. Derzeit befand sich eine Mischung aus beiden Gruppen im »Seelöwen«, und deshalb war die Taverne recht voll. Der junge Geoffry, Karlins Sohn, half an diesem Abend aus, und Magiere hatte ein Mädchen namens Aria auf Dauer eingestellt. Mit dem alten Caleb, der ebenfalls bediente, Magiere an der
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