Dhampir - Seelendieb
war leer. Der Junge zuckte mit den Schultern. »Er war laut.«
»Lade deine Waffe«, flüsterte Leesil und richtete sich wieder auf.
In der gegenüberliegenden Wand gab es einen offenen Torbogen, und er trat um den Tisch herum darauf zu.
Ein Knurren erklang, und Leesil wollte sich schon dem Hund zuwenden, als in der Dunkelheit weiter vorn zwei Augen glühten.
Ein grauer Wolf so groß wie Chap versperrte ihnen den Weg, und ein tiefes Grollen kam aus seiner Kehle.
Neben Leesil sprang Chap auf den Tisch und stieß beide Kerzenhalter zu Bode n – es schepperte laut. Er wandte sich dem Wolf zu, knurrte und fletschte die Zähne.
Bevor Leesil mit seiner Armbrust schießen konnte, sprang Chap vom Tisch, und der Wolf machte einen Satz nach vorn. Sie prallten gegeneinander, stießen einen Stuhl um und schnappten knurrend nacheinander.
Leesil wich zurück und begriff voller Sorge, dass sie nicht mehr auf das Überraschungsmoment zählen durften.
InseinemKellerraumlagChanevollangezogenaufdemBettundlauschte.SeineNervenwarenangespannt,obwohlernichtshörte.
Jemand schlich durchs Haus.
Sein Bewusstsein wanderte durchs Gebäude, bis es irgendwo im Erdgeschoss das Selbst des Vogels berührte.
Zuerst war die Perspektive verwirrend. Der Rabe Tihko saß an einer hohen Stelle und sah nach unten, aber zahlreiche nahe Lichtreflexe beeinträchtigten seine visuelle Wahrnehmung. Chane sah weiter unten den Tisch des Esszimmers und schloss daraus, dass der Rabe im Kronleuchter darüber hockte. Aber warum glitzerten die Kristalle?
Mattes Licht kam von der einen Seite des Raums, und dort stand der Halbelf.
ChanesahihnjetztzumerstenMal.DasHaarwaruntereinemdunklenKopftuchverborgen,underschienvondurchschnittlicherGrößezusein.Daswarerstaunlich,wennmanandaselfischeBlutinseinenAderndachte,denndiemeistenElfenüberragtenMenschen.ErtrugeinKettenhemd,hieltindereinenHandeinegeladeneArmbrustundinderandereneineseltsamgeformteKlinge,dieihmbiszumEllenbogenreichte.
NebendemHalbelfstandderblaugraueHund,undderBlickseinerglänzendenAugenstrichdurchsZimmer.DirekthinterihnensahChanedieJägerin.Alsersiesah,regtesichplötzlichBlutgierinihm. In der Küchentür bemerkte er einen Jungen mit einer Armbrust. Wie sonderbar. Chane fragte sich, warum die Jägerin ein Kind mitgebracht hatte. Das matte Licht, von den Kristallen des Kronleuchters reflektiert, kam aus den Händen einer jungen Frau, die einen grauen Umhang trug.
Chane versteifte sich auf dem Bett, und Tihko reagierte, indem er mit den Flügeln schlug. Das Bild vor Chanes Augen wackelte und wurde undeutlich.
Wynn war im Haus.
Ihr Erscheinen bestürzte Chane so sehr, dass er fast den Kontakt mit Tihko verlor. Er beobachtete, wie der Halbelf vorsichtig durch den Raum schlich, die Knie gebeugt.
Tihkos heiserer Schrei hallte in Chanes Kopf wider. Das Halbblut duckte sich und sah auf. Weiter hinten hob der Junge die Armbrust, zielte auf den Rabe n – auf Chan e – und schoss.
Schmerz stach in Chanes Brust, und ihm wurde schwarz vor Augen.
Er krampfte sich zusammen, und der Schmerz fuhr durch die Brust bis zum Rücken. Als er über die Bettkante fiel, klapperte seine kleine Messingkapsel über den steinernen Boden. Er kam auf die Knie, und um ihn herum gewann der Kellerraum Konturen.
Tihko war tot.
Von oben kamen Geräusche, lautes Knurren und Gepolter, und Chanes Gedanken rasten. Er konnte durch den Geheimgang die Kanalisation erreichen und Toret und Saphir der Jägerin und ihren Begleitern überlassen. Aber wenn Toret überlebte und begriff, dass er die Flucht ergriffen hatte? Solange Toret lebte, war Chane sein Sklave. Und dann war da noch Wynn.
Er fasste sich. Vernunft bot die einzige Möglichkeit, Herr der Lage zu werden.
Chane zog sein langes Schwert aus der Scheide und eilte zum Zugang des Geheimgangs bei der Kellertreppe.
»Nicht schießen«, wies Leesil Vàtz an. »Du könntest Chap treffen.«
»Ich bin nicht blöd«, erwiderte der Junge.
Leesil legte die Armbrust auf den Tisch und hörte, wie Magiere sie nahm, als er sich vorsichtig dem Durcheinander aus Wolf und Hund im Torbogen näherte. Mit einem Wolf konnte Chap durchaus fertig werden, aber der Kampf war laut genug, um Tote zu wecken, im wahrsten Sinne des Wortes.
Als der Wolf Chap auswich, trat Leesil mit aller Kraft zu.
Das Tier stieß gegen die Wand und verlor den Halt. Leesil war mit einem Schritt heran, holte mit der Klinge aus und zielte nach dem Hals. Im letzten Moment richtete sich der Wolf auf und schnappte nach
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