Dhampir - Seelendieb
nicht, wie sie ausgelöst wird, und es kommt praktisch jede Form von Magie infrage: Beschwörung, Thaumaturgie, vielleicht sogar Alchimie.«
»Droht noch immer Gefahr?«, fragte Magiere.
»Vielleicht.«
Vàtz griff mit beiden Händen nach der Kugel, riss sie vom Geländer, ließ sie zu Boden fallen und trat darauf. Sie zerbrach wie sprödes Glas.
»Jetzt besteht keine Gefahr mehr«, sagte er.
Wynn seufzte und kniete sich neben Leesil.
»Kannst du ihm helfen?«, fragte Magiere erneut.
»Blindheit durch einen Blitz ist meistens vorübergehender Natur und verschwindet nach einer Weile«, antwortete die Weise. Sie beugte sich vor und spähte besorgt in Leesils Augen. »In den ersten Wochen des magischen Unterrichts kommt es bei Lehrlingen gelegentlich zu solchen Unfällen.«
»Wir haben keine Zeit«, brummte Leesil. »Wenn du etwas für mich tun kanns t … dann los!«
Wynn schob die Hand hinter Leesils Nacken und bedeutete Magiere mit einem Nicken, sie solle ihn stützen. Magiere stand auf und nahm das Falchion so in die Hand, dass sie gleichzeitig auch noch die Armbrust halten konnte.
»Behalt den Flur im Auge, Vàtz«, sagte sie. »Schieß auf alles, was sich bewegt.«
Der Junge brachte sich neben Wynn in Position und zielte mit der Armbrust durch den Flur in Richtung Küche.
Wynn legte den Kristall auf den Boden und löste einen Wasserbeutel von Leesils Gürtel. Dann rutschte sie ein wenig zur Seite, damit sich Leesil an sie lehnen konnte.
»Wir müssen die Heilfähigkeit deines Körpers beschleunigen«, sagte sie. »Ich bin keine Heilerin, aber vielleicht kann ich den Vorgang stimulieren. Leg den Kopf an meine Schulter. Zuerst wasche ich dir die Augen aus.«
Leesil kam der Aufforderung nach, und Wynn träufelte ihm vorsichtig Wasser in die Augen.
»Sei jetzt still und rühr dich nicht«, sagte sie. »Ich muss mich konzentrieren.«
Sie legte ihre Hände wie eine Maske auf sein Gesicht, schloss die Augen und begann mit einem leisen Singsang.
Magiere wartete ungeduldig und angespannt, während sie Leesil beobachtete. Ohne ihn konnte sie dies nicht zu Ende bringen, und selbst wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre: Wenn Wynn ihm nicht helfen konnte, würden sie sofort fliehen.
Die junge Weise hörte mit ihrem Singsang auf, und Magiere vergaß, die Treppe zu beobachten. Sie wusste nicht, was Wynn machte und wie ihre Magie funktioniert e – sie hatte nichts gesehen und abgesehen von dem leisen Gesang auch nichts gehört. Es schien überhaupt nichts geschehen zu sein.
Schließlich nahm Wynn die Hände von Leesils Gesicht.
»Öffne die Augen«, sagte sie. »Ist es jetzt besser?«
Leesil setzte sich auf und blinzelte, und Magiere ging vor ihm in die Hocke. Er sah sie direkt an, und sie atmete tief durch.
»J a … «, antwortete er unsicher und nickte. »Es ist etwas klarer.«
Er klang ruhiger, aber Magiere hörte trotzdem die Anspannung in seiner Stimme. Blindheit war vermutlich die schlimmste Sache, die sich Leesil vorstellen konnt e – er war ein Kämpfer.
Er drehte den Kopf und sah Wynn an.
»Danke. Ich weiß nicht, wi e … «
»Wie gut kannst du sehen?«, fragte Magiere schnell.
Leesil stand auf, und sie nahm seinen Arm und stützte ihn.
»Besser«, sagte er. »Ich erhole mich jetzt schnell, und nur darauf kommt es an.«
Magiere nickte und fragte sich, ob er ihr wirklich die Wahrheit sagte. »Dann lass uns nach oben gehen.«
Mit dem Schwert in der Hand trat Chane aus dem Geheimgang in den Flur des ersten Stocks und eilte zu Tibors Zimmer, das nur dicke Vorhänge an den Fenstern und eine Matratze auf dem Boden enthielt. Tibor schlief noch, tief und fest, und Chane ging neben ihm in die Hocke. Er streckte die Hand aus und berührte ihn an der Schulter.
»Wach auf«, sagte er drängend. »Die Jägerin ist im Haus.«
Tibor zuckte zusammen und öffnete die Augen. Erschrocken wich er vor Chane zurück, und dann erinnerte er sich.
»Die Jägerin?«
»Nimm dein Schwert. Wir müssen den Herrn beschützen.«
Tibor griff sofort nach der Klinge, die neben der Matratze lag.
»Du übernimmst die Führung«, sagte Chane. »Geh zum Geheimgang. Durch ihn gelangen wir unbemerkt nach oben.«
TiborzögertenichtundschrittzurTürdesSchlafzimmers,Chanedichthinterihm.AlsTiborindenFlurtrat,hobChaneseinSchwert.EintieferInstinktveranlassteTiborzurückzusehen.
Zu spät. Chanes Klinge schnitt durch den Hals des Matrosen.
Tibors Kopf fiel und rollte durch den Flur. Der Körper landete mit einem lauten
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