Dhampir - Seelendieb
fertig. Wie schwer es war, ihm in die Augen zu sehen, ohne dass Erinnerungen auf sie einströmte n – beängstigende, blutige Erinnerungen. Sie wollte keinen Schmerz mehr in Leesils Gesicht sehen, keine Narben mehr an seinem Körper. Magieres Blick glitt zu seinem Handgelenk und dann wieder nach oben.
Sein dünnlippiger Mund schien fast immer ein schiefes Lächeln anzudeuten, aber diesmal wirkte Leesil traurig, fast bitter.
»Loni ist zu direkt«, fuhr er fort. »Doch einige seiner Worte sind wahr. Ich habe das Lagerhaus niedergebrann t … und ich würde es wieder tun, wenn es notwendig wäre, ohne zu zögern.«
Magiere entsann sich ihrer Flucht aus dem Gebäude, als Leesil es in Brand gesetzt hatte, um die Untoten aufzuhalten. Später hatte sie erfahren, dass er dabei mit großem Eifer vorgegangen war. Sie hatten versucht, die Familie der Untoten in den Tunneln unter dem Lagerhaus zu erwische n – viel zu deutlich erinnerte sich Magiere an den Kampf gegen Rashed, an ihre Verwandlung in einen Dhampir, an ihren Hass und den Blutrausch. Sein Langschwert hatte ihr den Hals aufgeschlitzt, und sie war bewusstlos geworden.
Es gab keine Erinnerungen daran, wie Leesil sie nach draußen gebracht hatte. Sie wusste nur, dass sie bei ihm zu sich gekommen war und Blut von seinem Handgelenk getrunken hatt e – Blut, das sie heilte. Sie hatte sich dabei gewünscht, immer mehr zu trinken, nie damit aufzuhöre n …
Magiere spürte, wie ihr kalter Schweiß ausbrach, und Übelkeit schuf ein flaues Gefühl in ihrer Magengrube. Sie schluckte hart und wollte nicht, dass Leesil etwas davon bemerkte.
»Miiska leidet an den Folgen meiner Tat«, fuhr er fort und zuckte mit den Schultern. »Wir haben jetzt Gelegenheit, es wiedergutzumachen. Und noch etwas für uns zu verdienen. Die Zahlung erfolgt an dich, nicht an die Stadt. Und ein neu errichtetes, von der Stadt geführtes Lagerhaus bedeutet nicht, dass wir keinen Nutzen davon haben, weil wir es finanziert haben.«
Magiere konnte kaum glauben, solche Worte von ihm zu hören. Und dann verstand sie plötzlich.
»Du bist bereit. Du möchtest dich auf den Weg machen.«
Leesil ließ den Kopf sinken, und sein langes Haar schwang nach vorn, über die spitzen Ohren hinweg.
»Nein. Es geht nicht darum, was wir möchten. So wie ich es sehe, können wir kaum ablehnen.«
»Es ist ganz einfach. Ich habe es eben getan. Oder hast du in der Küche nicht zugehört?«
Leesil rieb sich mit einer Hand die Schläfe, strich das Haar zurück und ließ es dann wie einen Vorhang wieder nach vorn fallen.
»Willst du hier bleiben und in alle Ewigkeit die Taverne führen? Gut. Und wenn sich die wirtschaftliche Lage dieser Stadt nicht bessert? Wie sollen wir Geld verdienen, wenn die Leute mittellos sind? Was passiert mit Karlin und Geoffry? Mit Aria und ihrer Familie? Wie sollen wir Caleb genug bezahlen, damit er sich richtig um Rose kümmern kann?«
Hinter dem Vorhang aus Haaren konnte Magiere sein Gesicht nicht erkennen, und ein taubes Gefühl breitete sich in ihr aus. Hinter den Worten steckte mehr als nur die Sorge um Miiskas Wohlergehen. Leesil hatte den »Seelöwen« nie gewollt. Es war Magieres alleinige Entscheidung gewesen, ihn zu kaufen, und Leesil hatte sich erst damit abgefunden, als ihm klar wurde, dass sich seine Partnerin nicht umstimmen ließ. Jetzt schien er zu seiner alten Ablehnung zurückzukehren.
Magiere lehnte sich an die Kaminwand. »Wenn du dies machen möchtest, so sei ehrlich damit und versteck dich nicht hinter angeblichen Sorgen um das Wohl der Stadt.«
Leesil hob ruckartig den Kopf, und sein Gesicht zeigte Ärger.
»So ist das nicht, und das weißt du!« Er sank auf ein Knie, beugte sich ein wenig vor und stützte die Hände rechts und links von Magieres Beinen auf die Kante des Kamins. »Du versuchst, die ganze Sache einfach genug zu machen, um ihr keine Beachtung zu schenken, aber sie ist komplizierter.«
Magiere war erneut gezwungen, ihm in die Augen zu sehen.
Leesil beugte sich noch weiter vor, und Magiere versteifte sich.
Er drehte sich, schob seinen Körper dabei zwischen Magieres Beine, kehrte ihr den Rücken zu und lehnte sich langsam zurück. So nahe war er ihr schon lange nicht mehr gekommen, und Magiere begriff plötzlich, dass sie den Atem anhielt. Langsam holte sie Luft und versuchte, sich zu entspannen.
Zuerst belastete er sie nicht mit seinem Gewicht, berührte sie nur. Dann neigte er den Kopf nach hinten und lehnte ihn an Magieres
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